Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, page 332

gezütem Säbel neben ihm reiten würde. Fhnen voraus ſchritten dann die Ulemas, dem Volke verfündigend, daß der Dschihâd (Glaubensfrieg) begonnen habe; von Conſtantinopel ſollte dieſes heilige Wahrzeichen der Osmanen zur Armee an die Donau gebracht werden.

Es dürfte bei dieſer Gelegenheit ſehr intereſſant ſein zu erfahren, daß der Sandschak Scherif, die Fahne des Profeten, zum lebten Male durch Sultan Mahmud Il]. (geſt. 1839), Großvater des nunmehrigen Sultans, und zwar im Fuli 1826, bei Gelegenheit des Aufſtandes der Fanitſharen entrollt wurde. Der Hergang bei dieſem Ereigniſſe war damals folgender:

Mahmud hatte ſhon lange beſchloſſen gehabt, die Jenkridschari (d, h. neue Krieger), vormals die reguläre türkiſche Jufanterie, ein rebelliſches - ſubordinationsloſes, ſelbſt dem Staatsoberhaupte ſehr gefährliches Truppencorps, aufzuheben und an ihrer Stelle ein neues, auf europäiſche Weiſe gebildetes Heer, Askeri Muhemidije, zu errichten. Juin Monate Funi, eben als mit Rußland der Vertrag von Akfjerman ahgeſchloſſen werden ſollte, führte der Sultan dieſe Aufhebung durch und ſuchte die Janitſcharen dur< erhöhten Sold und andere Vortheile zu bewegen, in das neugebildete Heer einzutreten. Doch in der Nacht auf den 15. ‘exregten ſie einen Aufſtänd, ſtürmten das Hans ihres Agha (Oberhauptes), mordeten deſſen Familie und plünderten mehrere Häuſer der Großen und den Pfortenpalaſt.

Da berief am Abende Sultan Mahmud ſeine ſämmtlichen Miniſter, den Scheik-al-Fslam und die beiden Kadi-Asker (Oberrichter) für Rumelien und Anatolien in den Palaſt und“ theilte ihnen mit, daß er geſonnen ſei, am anderen Tage die Fahne des Khalifats zu entrollen und die Gläubigen aufzufordern, die rebelliſchen Söhne des Hadſchi(Mekta-Pilgers) Bekt a \< vom Angeſicht

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der Erde auszurotten. Die Anweſenden pflichteten der Anſicht des Sultans bei und der Scheik-alJslam ſhrieb eine Fetwah (Erläuterung) nieder, in welcher er aus dem Koran nachwies, daß die jetzige Rebellion der Janitſcharen nichts mehr ſei als eine Fitnah (Verſu<h zur Verleitung gegen Gott) und daß daher der Khalif das Recht habe, dieſe Dinsiz (Gottloſen) mit Stumpf und Stiel auszurotten. Hierauf entfernten ſi alle Anweſenden und nur der Scheik-al-Fslam blieb zurü>, mit dem dann der Sultan die ganze Nacht im Gebete verbrachte.

Am anderen Morgen begab ſi< der Sultan, begleitet von ſeinen ſämmtlihen Miniſtern — voran Huſſein Paſcha, der Seraskier, welcher mit den neuen Truppen und den Topdschi (Artilleriſten) nach der Hauptſtadt berufen worden war und von den hohen Staatsbeamten begleitet, nach dem alten Serail, wo in einem Gemache die Fahne und andere Reliquien des Profeten aufbewahrt wurden. Zur Ehre des Tages hatten ſowohl der Sultan als auh ſein ganzes Gefolge ihre Schwerter umgürtet, obwohl es bei den

Mohammedanern ſonſt nie vorkommt, daß ſie mit Waffen bei einer gotteSdienſtlihen Handlung erſcheinen. Fm Gemache angelangt, begann nun ein Ulema die Lebensgeſchihte des Profeten vorzuleſen; zum Schluß hielt ex eine längere Rede, in der ex auf die Freuden, die der Frommen im Paradieſe harren, hinwies und alle Anweſenden verſicherte, daß ſie insgeſammt an dieſen paradieſiſhen Freudenrechtzeitigtheilnehmen würden. Nun holte man die Kiſte herbei, in der die Fahne in vierzig Einhüllungen eingewi>elt lag, und der Scheik-al-Fslam begann dieſe vierzig Einhüllungen abzunehmen. Jmmer, wenn ſo eine Hülle ſtel, warfen ſi<h alle Anweſenden auf den Boden nieder und riefen mit lauter Stimme: „Eschhad, anla Hah, illa Allah Wa-Mahamad Rassul Allah!“ (Jh bezeuge hiermit, daß es