Beogradske novine

BEIBLATT.

Belgrad, Dienstag

Belgrader Nachrichten

11. Janner 1916.

Nr. 5.

den Winterhandschuhen in der Hand beim Beherrscher der Cmogorcen, Fiirsten Nikola Petrović-Njeguš. Ein einfacher Handedruck, ein kraftiges „Zdravo, junače!“, der Perjanik entfernte sich aus dem Zimmer und ich sass in einem bequemen Lederstuhl, neben dem gewaltigen Schreibtisch Seiner koniglichen Hoheit. Die erste Frage des Fiirsten war, ob mir seine Werke bekannl seien, und als ich dies bejahte, folgte ein recht peinliches Examen. lch musste einige Stellen zitieren und der Fiirst korrigierte ziemlich strenge die Akzentuierung, die Betonung da driickte er auf die elektrische Glocke. „Momčilo soll gleich kommen", befahl er dem eintretenden Perjanik. Momčilo Ta p a v i c a, ein Banater Serbe, stand damals als Strasseningenieur in montenegrinischen Diensten und fiihrte auch kleinere Bauten auf. Er trat ein. ,,Du, Momčilo“, sagte ernst der Fiirst, ,,du weisst ich feiere in zwei Jahren mein funfzigstes Regierungsjubilaum ?“ ,,Ja, Herr.“ „Und ich habe aus diesem Anlasse jetzt beschlossen, eine Jubilaumskirche in Cetinje zu bauen.“ ,,Es ware besser, Gospodaru wiirden aus diesem Anlasse ein Spital bauen“, antwortete kurz der Strassenmeister Seiner koniglichen Hoheit. Der Fiirst sprang auf, packte einen dicken Stock, der neben dem Schreibtisch angelehnt stand und an mir vorbeistiirmend jagte er den Tapavica, laut schimprend, atis dem Zimmer. „Hast gehort, diesen frechen Bengel, diesen Hundesohn?" fragte mich der Fiirst, jedoch schon ganz beruhigt. Meinem ersten Schreck folgten Lachkrampfe, wiihrend dessen klingelte der Fiirst und beordnete Tapavica wieder ins Zimmer.

Dieser trat lautlos ein, ich traute mich jedoch nicht ihn anzusehen, um nicht vor Lachen zu bersten. Der Fiirst aber, den Kopf in beide Hiinde stiitzend, sagte ernst: „Die Kirche muss fiir zweitausend Personen Raum haben, und —“ „Gott, Gospodaru," fiel Tapavica dem Fiirsten ins Wort, ,,in Cetinje sind zwei Kirchen und zu Weinachten waren in jeder Kirche fiinfzig Pefsonen!" Der Fiirst schien auf eine solche Antwort Tapavicas gefasst zu scin, denn er hielt den Priigel schon vorbereitet zvvischen den Beinen, was ich nicht bemerkt hatte, und bevor der kiihne Strassenmeister die Tiire hinter sich schliessen konnte, erreichte ihn bereits ein vvuchliger Hieb iiber den Rucken. Doch der Beneidenswerte musste sofort zuriickkehren und als die Kosten fiir den Bau beilaufig festgestellt vvaren, erteilte der Fiirst den Auftrag, mit dem Bau der Kirclie sofort zu beginnen. Als ich ins Vorzimmer trat, ervvartete mich dort Momčilo Tapavica. ,,Wissen Sie, vvarum der Alte dieses Theater vor lhnen aufgefiihrt hat ? Er vvill, dass sie in den Zeitungen die Nachricht verbreiten, in Cetinje wird eine Jubilaumskirche fiir 2000 Personen gebaut. Aber zum Baue wird es natiirlich nicht koinmen, das ist ja doch klar. “ Vergniigt lachend kehrte ich noch denselben Vormittag, nicht iiber Rijeka, Virpazar und Antivari, sondern direkt nach Cattaro zuriick. O—.

Die nachste Nummer erscheint am Donnerstag, den 13. Jiinner 1916.

Volkswirtschaftiiches. Die dritte italienische Kriegsanleihe. Wie der „Frankf. Ztg.“ aus Lugano gemeldet wird, kommt die Ankundigung, dass die dritte italienische Kriegsanleih. e nunmehr tatsachlich zur offentlichen Zeichnung aufgelegt wird, nicht unerwartet, nachdem das jiingste Finanzexpose die Einission als bevorstehend angekiindigt hatte. Gleich den beiden vorhergehenden ist auch die dritte Kriegsanleihe innerhalb 25 Jahren zu pari tilgbar, zehn Jahre unkonvertierbar. Bemerkenswert ist die H e r a u fsetzung des Zinsfusses von 4',., auf 5 Prozent bei einem um 2'« auf 97'« erhohten Emissionspreis, wozu sich das Schatzamt nur schwer entschlossen hat, nachdem seit der Ausgabe de£ beiden ersten Kriegsanleihen mit ihrem bescheidenen Erfolg Italien trotz grosster Blutopfer keine militarischen Erf o 1 g e erzielt und die Gesamtkriegslage sich fiir die E n t e n t e entschieden verschlechtert hat. Obrigens konnen auch die 4'/2prozentigen fruheren Kriegsanleihetitel durch Nachzahlung von 2'/* Prozent in fiinfprozentige verwandelt werden. Bemerkenswert ist ferner, dass die Halfte der neuen Zeichnungen in 1917 und 1918 verfallenden Schatzscheinen geschehen kann. Die Einzahlungen haben rnit 25 Prozent bei der Zeichnung, alsdann in drei Terminen bis zum 3. Oktober stattzufinden. Die Regierung sucht das Ausland hineinzuziehen, indem die Zeichnungen nicht nur bei den italienischen Konsulalen, sondern auch bei gewissen auslandischen B a n k e n, namentlich A m e r i k a s, angenommen vverden. Da die schwebende Schuld Italiens gegen s e c h s M i 11 i a r d e n, die monatlichen 550 M i 1 I i o n e n betragen, so kann diese Anleihe, nachdem die beiden ersten nur je eine Mitliarde erbrachten, keine fiihlbare Besserung der italienischen Finanzen herbeifuhren. Bemerkenswert ist es, dass „Corriere della Sera“ in einem Leitartikel, in dem er zur Zeichnung aui die Anleihe auffordert, nicht auf italienische Erfolge, sondern auf das osterreichisch-ungarische und deutsche Beispiel an Pflichtgefuhl, Disziplin Rassenstolz, Vaterlandsliebe und Opfermut verweisen inuss. ,,Secolo“ hofft, dass die Besitzenden diesinal besser die Zeichnungspflicht erfiillen als die beiden ersten Male.

weichend hiev'on finden im osterreichischen Armeeoberkommando die Besprechungen nur zwischen Erzherzog Friedrich und Conrad statt. Allein der Thront'olger Erzherzog Karl Franz Josef vvar einige Male dabei anvvesend. Nach Besprechung und Fertigung durch den Erzherzog Friedrich werden die vorgelegten Befehle expediert. Conrads Fliigeladjutant teilt sie dann aus, vvorauf sie sofort telegraphiert vverden. C o n r a d gestattet sich vvahrend dieser Zeit eine kurze Ruhe und unternimmt dann, mag das Wetter giinstig sein oder nicht, nochmals einen einstiindigen Spaziergang. Zvvischen 5 und 6 Uhr kehrt er in seine VVohnung zuriick, vvo er den Kaffee nimmt und Korrespondenzen erledigt. Um ' -'8 Uhr begibt er sich aufs neue in das Oberkommando, um dort vveitere Meldungen der Abteilungsschefs entgegenzunehmen und in der operierenden Abteilung tatig zu sein. Das jetzt Entworfene legt er gegen 10 Uhr abends Erzherzog F r i e d r i c h zur Genehmigung vor. Infolgedessen kommt Conrad gevvohnlich erst um 1 2 11, oit 11 Uhr zum Abendessen. Es hat iibrigens uicht an Tagen geiehlt, an vvelchen der Generalstabschef erst viel spater seine Abendmahlzeit einnehmen konnte. Da Conrad vor dem Einschlafen noch zu lesen pflegt, vvird es rneist 1 U.hr, bis sich seine miiden Augen schliessen. In dringenden- Fallen hat er auch mitten in der Naclit mit den Herren des Generalstabes gearbeitet. Eine gute Gelegenheit, Conrad als M e nschen kennen zu lernen, bietel sich, vvenn der grosse Stratege seinen Spaziergang machi oder wenn er in spater Stunde seine Abendmahlzeit einnimmt. Eine Haupteigenschaft, durch die sich Conrad stets ausgezeichnet hat, tritt auch bei dieser Gelegenheit hervor: seine grosse Bes c h e i d e n h e i t, die es ihm schwer macht, sich in die Rolle eines berflhmten Mannes zu finden. Er ist gleich eiufach uud naturlich vvie friiher geblieben. Wenn man ihn uber die Ereignisse

des We!tkrieges sprechen hort, so sollte man meinen, dass nichts einfacher vvare, als die Riesenarmeen zu kommandieren. Er sagt, sein ganzes Verdienst bestehe darin. von Anfang dafiir gesorgt zu haben, dass jeden Tag die Stellung der eigenen Truppen und jene des Feindes, soweit sie bekannt vvaren, genau in eine Karte eingezeichnet vvurden. Das miisse dann jeder treffen, vvohin rnehr oder vveniger Truppen hinzuschieben seien. Nachdem einmal der Kampf begonnen, bringe jeder Tag netie Situationen. Die Kunst, diesen Situationen entsprechend das Verniinftigste anzuordnen, darin bestehe die ganze Weisheit, vvobei man sich durch Schicksalsschlage nicht aus der Fassung bringen lassen diirfe. Wenn C o n r a d s klarem Denken das sehr einfacit erscheint, vv'as andere als hochste Kunst betrachten, so charakterisiert ihn das mehr als viele Worte. Zu Hilfe kommt ihm bei seinen Arbeiteu vor allem zvveierlei: die Gabe, sich von den Eindriicken des Augenblicks vollig loslosen zu konnen, und sein phanomenales Gedachtnis. v. H o e n erzahlie mir, dass es bei Generalstabsreisen und anderen Gelegenheiten auffiel, wie getreu Conrad im Verlaufe der oft sehr vervvickelten Besprechungen und Uebungen die augenblickliche Stelle jedesBataillons im Gediichtnis behall, das ihn auch in kritischen Augenblicken nie verlasst. Wenn Erzlierzog F r i e d r i c h zum Schreiber dieser Zeilen bemerkle: C o n r a d s Bescheidenheit sei iibermassig groB, . so ist damit die volle Wahrheit gesagt. Diese Eigenschaft zeigt sich auch dariu, dass es der Generaistabschef nicht liebt, wemr man von den vielen und liohen Ehrungen, die ihm wie Friiher, so namentlich vvahrer.d des Krieges zuteil gevvorden sirid, spricht. Man darf đeshalb niciit glauben, dass solche Zeichen der Anerkennung ebenso wie die zahlreichen Adressen, Briefe, Geschenke, die forlvviihrend ankommen, ihm keine Freude bereiteten. Anfangs hatte Conrad gevviinscht, dassdie Presse von seiner Person.seinen Leistungenund den ihm zuteil gevvordenen Ehren gar nichts berićhte.

Mit der. Zeit musste er doch erkennen, dass dies nicht zu uingehen vvar. Aber unbekiimmert um seinen Ruhm ist er nach vvie vor. ,,Was man spater von inir sagen vvird“, bemerkte er mir gegeniiber. „ist fur mich vollig gleichgiiltig, wenn ich nur jetzt etwas Tiichtiges leiste“. Wenn Conrad vom Scheitel bis zur Sohle Soldat ist, so besitzt ei; doch auch vielfach andere Interessen. Das zeigt sich am besten, vvenn er in spater Abendstnnde mit seinen Vertrauten beisainmensitzt. Meist ist da von allem anderen als von Politik oder von Krieg die Rede. Wahrenđ meiner Anwesenheit im Grossen Hauptquartier trat letzterer Fall nur einmal ein. Es war am Abend des 18. September 1915, als der preussische General Gramon um 11 Uhr abends erschien und den Fall Wilnas meldete. Da entspann sich eine lebhafte militarische Diskussion, in der Conrad auch abweichende Meinungen zu Worte kommen liess. Sonst aber war stets von anderen Dingen die Rede, so vor allem von Literatur und von Kunst. Wenn auch bei C o n r a d s Abendunterhaltungeu gemiiss stilischweigender Ubereinkunft das Thema des Weltkrieges nur ausnahmsweise beriihrt vvird, so schliesst er doch in seinen sonstigen Gesprachen mit Zivilisten das Militarische keineswegs aus. Bezeichnend ist dabei, vvelches Gevvicht er hier vvie auch sonst im Leben auf das Praktiche legt. Ein Feind jeder sogenannten militarischen Gelehrsamkeit, halt er diejenigen die sicli nur mit der mililarischen VVissenschaft beschaftigen, iiir den praktischen Beruf verloren. „Unser Handvverk“ so pflegt er zu betonen, „darf nicht als reine Wissenschaft behandelt v f erden. Es ist eine eminent praktische Tatigkeit“. Ftir die taktische Ftihnmg scheint Conrad das Wesentliche die immer vvieder erneuerte Aufnahme des Angriffs. Auch nach Rtickschlagen dtirfe man nicht locker lassen, sich niemals von einer Situation verbltiffen lasseii, n i e m a 1 s d a s Gleichgevvicht verlieren, ob es nun g u t o d e r s c h 1 e c h t g e h t.“