Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
6 Dex Talisman des Weibes.
als die bloßen Verſicherungen der Liebe, dazu gehört vor= nehmlich, daß man ſi ſelbſt vergißt.“
Thränen der Scham, der bitterſten Demüthigung traten in ihre brennenden Augen. „Warum mußte Alles in Erfüllung gehen, was dieſer Mann geſpro<hen? War es nicht, als ob ein Dämon mix aus ſeinem Hauſe folgte, der ſich an meine Gedanken klammert und bei jedem Mißz geſchi> mix höhnend ſeine Prophezeiungen zuraunt? O, meine Kunſt, meine ſchöne, verſöhnende Kunſt, lege mir Frieden in die Seele!“
Sie verſuchte zu ſingen, aber der Ton brach jäh ab. Da faßte ſie Wuth und Verzweiflung. „Von dieſem Thron fann ih nicht ſteigen, mit dem Lorbeer blüht mir Erſaß für alle bangen Erinnerungen, jede Blume de>t Herzens= wunden zu. J<h muß triumphiren, muß Erfolge erringen, oder ih breche zuſammen unter meiner Gedankenlaſt!“
Es klopfte. |
Jrmengard raſte ſich zuſammen. So viel Selbſt-= beherxſchung hatte ſie in den trüben Erfahrungen der leb= ten Wochen doh ſchon gewonnen — Dreyſing follte ee moraliſche Schwäche nicht gewahren.
Die Thüre öffnete ſich vorſichtig. Eine hagere Männer= geſtalt, vorzeitig ergraut und gealtert, trat ein.
„Doktox Mechelmaunn,“ ſagte er, ſich verbeugend. „J< ſtöre — 2“
„Nein, es iſt gut, daß Sie jeht kommen !“ rief Jr= mengard erleichtert. Dann verbeſſerte ſie ſih ſchnell. „I< freue mich, den Vater fo guter Kinder kennen zu lernen. Seben Sie ſi<h zu miu!“