Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
516 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katzen.
ſpricht ſih bei allen Kaßen ſehr deutlich aus, und ſo auch bei dem Karakal. Die nordiſchen Luchſe, welhe vorzugsweiſe Wälder bewohnen, tragen ein Baum- und Felſenkleid, d. h. ihre allgemeine Färbung ähnelt jener der Stämme und Äſte ſowie jener der grauen Fels3wände des Nordens. Der Karakal iſt nur in der Kindheit gefle>t, ſpäter aber ganz ungefle>t, und eine derartige Gleichfarbigkeit ſteht wiederum im vollſtändigen Einklange mit den Eigentümlichkeiten ſeines Wohnkreiſes; denn ein gefle>tes Tier, welches auf dem einfarbigen Sandboden der Wüſte dahinſ<hleiht, würde in der hellen Naht gerade durch ſeine Fle>enzeihnung leichter ſihtbar werden als durch jenes einfarbige Gewand.
Dex Verbreitungskreis des Karakals iſt groß. Er bewohnt ganz Afrika ſowie die ſüdlichen Gebiete Añens mit Einſchluß von Fndien und zwar vornehmli<h Wüſten und Steppen; Waldungen ſoll er gänzlich meiden. Fn Fndien iſt er, nach Blanford, nirgends häufig und fehlt gänzlih an der Malabarküſte, in Bengalen und im öſtlichen Himalaja. Über ſein Freileben wiſſen wir no< ſehr wenig. Thevenot erzählt, daß man den Karakal nur in denjenigen Ländern finde, in denen auh der Löwe vorkomme, da er niht allein Führer, ſondern auh Kundſchaſter des leßteren ſei, für ihn Beute aufſuche und von der dur den Löwen erlegten ſeinen Anteil erhalte; Sparrmann will in Erfahrung gebracht haben, daß er bei Tage in Nudeln auf größere Tiere Jagd mache und des Nachts Vögeln nachſ<hleiche: der einen wie der anderen Angabe mangelt jedoh jede Begründung. Nach der Verſicherung der von mir befragten Steppenbewohner Südnubiens, von denen ich erlegte Karakals erhielt, lebt unſer Wüſtenluchs, ihre „Khut el Chala“ oder Kate der Einöde, einzeln und begnügt ſih in der Regel mit der Jagd kleiner Säugetiere und Vögel lauert jedo<h, wie es vom indiſchen ebenfalls berichtet wird, auch kleineren Antilopen auf und weiß dieſe ohne ſonderliche Anſtrengung durch Zerbeißen ihrer Halsſ<lagadern zu bewältigen; na<h Angabe Triſtrams iſt er in den Daſen der nördlichen Sahara ein unwillkommener Beſucher der Hühnerſtälle und raubt und mordet hier unter Umſtänden in verheerender Weiſe. Jn den Augen aller Jäger Oſtſudans gilt er als ein äußerſt bösartiges Geſchöpf.
An gefangenen gemachte Wahrnehmungen widerſprechen der Anſicht der Araber in keiner Weiſe; denn der Karakal ſcheint, im Verhältnis zu ſeiner Größe, das wütendſte und unbändigſte Mitglied der ganzen Familie zu ſein. Jh habe ihn öfters in Gefangenſchaft geſehen und gepflegt, niemals aber von ſeiner liebenswürdigen Seite kennen gelernt. Man braucht ſih bloß dem Käfig zu nähern, in welchem er ſcheinbar ruhig liegt, um ſeinen ganzen Zorn rege zu machen. Ungeſtüm ſpringt er auf und fährt fauchend auf den Beſchauer los, als ob er ihn mit ſeinen ſcharfen Krallen zerreißen wolle, oder aber legt ſi in die hinterſte Ede ſeines Kerkers auf den Boden nieder, drü>t ſeine langen Lauſcher platt auf den Schädel, zieht die Lippen zurü> und faucht und knurrt ohne Ende. Dabei ſchauen die blitenden Augen ſo boshaft wütend den Beſchauer an, daß man es den Alten niht verdenken fann, wenn ſie dieſen Augen geradezu Zauberkräfte beilegten. Fn keinem einzigen Tiergarten hat es bis jeßt gelingen wollen, das wütende Geſchöpf zu zähmen; man hat es kaum dahin gebracht, daß es einem Wärter erlaubt hätte, in ſeinen Käfig zu treten. Einem gefangenen Karakal ſeßte man einen ſtarken, biſſigen Hund in ſein Gefängnis. Fener fiel den ihm Furcht einflößenden Gegner ohne Beſinnen an, biß ihn unter fürhterlihem Fauchen und Geſchrei, troß der mutvollſten und kräftigſten Verteidigung des Hundes, nah kurzem Kampfe nieder und riß ihm die Bruſt auf. Ungeachtet ſolcher Schandthaten und aller Bösartigkeit ſeines Weſens iſt der Karakal der Zähmung niht unzugänglich. Ob die alten Ägypter, welche ihn ſehr wohl gekannt, auf ihren Denkmälern vortrefflih dargeſtellt und ebenfalls einbalſamiert haben, ihn zähmten, bleibt fraglich; aus verſchiedenen Berichten älterer Reiſender dagegen ſcheint hervorzugehen, daß die Aſiaten von alters her neben dem Gepard auch den Karakal zur Jagd abrichteten.