Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Kaninchen: Aufenthalt. Bewegung. Fortpflanzung, 637

an ſonnigen Stellen ziemlih einfahe Baue an, gern in Geſellſchaft, oft ſiedelung8weiſe. Zeder Bau beſteht aus einer ziemlich tiefliegenden Kammer und in Winkel gebogenen Nöhren, von denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Dieſe ſind durch das häufige Aus- und Einſhlüpfen gewöhnlich ziemlih erweitert; die eigentliche Röhre aber iſt ſo eng, daß ihr Bewohner gerade durhkriehen kann. Jedes Paar hat ſeine eigene Wohnung und duldet darin kein anderes Tier; wohl aber verſchlingen ſih oft die Röhren von mehreren Bauen. Jn ſeinen Höhlen lebt das Kaninchen faſt den ganzen Tag verborgen, falls das Buſchwerk um den Bau herum nicht ſo dicht iſt, daß es faſt ungeſehen ſeiner Nahrung nagehen kann. Sobald der Abend anbricht, Hi es auf Äſung, aber mit großer Vorſicht, indem es lange ſichert, ehe es den Bau verläßt. Bemerkt es Gefahr, ſo warnt es ſeine Gefährten dur< ſtarkes Aufſchlagen mit den Hinterläufen, und alle eilen ſo ſ{hnell wie mögli< in ihre Baue zurück.

Die Bewegungen des Kaninchens unterſcheiden ſi<h weſentli<h von denen des Haſen. Im erſten Augenblicke übertrifſt es dieſen an Schnelligkeit, immer an Gewandtheit. Es verſteht das Hakenſchlagen meiſterlih und erfordert einen vortrefflih eingeübten Hebhund und einen guten Shüßen. Ungleich verſhmißter und ſchlauer als der Haſe, läßt es ſich höchſt ſelten auf der Weide beſchleihen und weiß bei Gefahr faſt immer no< ein Schlupfloh zu finden. Wollte es geradeaus forteilen, ſo würde es von jedem mittelmäßig guten Hunde ſchon nath guter Zeit gefangen werden; ſo aber ſucht es in allerlei Geſtrüpp, in Felſenrißen und Höhlen Schuß und entgeht meiſt den Nachſtellungen ſeiner Feinde. Die Sinne des Augens Vernehmens und Witterns ſind ebenſo ſcharf, vielleicht noh ſchärfer als bei den Haſen. Jn ſeinen Sitten hat es manches Angenehme. Es iſt geſellig und vertraulich, die Mütter pflegen ihre Kinder mit warmer Liebe, die Jungen erweiſen den Eltern große Ehre, und namentli<h der Stammvater einer ganzen Geſellſchaft wird hoh geahtet. Fn den Monaten Februar und März beginnt die Nammelzeit der Kaninchen. Wie bemerkt, hält das Paar treu zuſammen, wenigſtens viel treuer als das Haſenpaar; doch kann man niht behaupten, daß das Kaninchen in Einweibigkeit lebe.

„So viel iſ ausgema<ht“/ ſagt Dietrich aus dem Win>ell, „daß der Rammler, ſolange das Weibchen bei ihm bleibt, niht von deſſen Seite weiht und ihm auch oft Zärtlichkeiten erweiſt. Nie iſt er ſo zudringlich, daß er jein Verfolger werden wollte, wenn es ſih von ihm zurüczieht. Wie die Häſin geht das Kaninchen 30 Tage tragend, iſt aber geeignet, ſogleich na<h dem Wurfe ſi wieder zu begatten und bringt deshalb ſeine Nachkommenſchaft ſhon binnen Jahresfriſt auf eine bedeutende Höhe. Bis zum Oktober ſett es alle 5 Wochen 4—12 Junge in einer beſonderen Kammer, welche es vorher mit ſeiner Bauchwolle reihli<h ausgefüttert hat. Einige Tage bleiben bie Kleinen blind, und bis zum nächſten Sagte der Mutter verweilen ſie bei ihr im warmen Neſte und ſaugen. Die Alte iſt ſehr zärtlih und verläßt die Familie nur ſo lange, als ſie braucht, um ſi zu ernähren. Bei dieſer Gelegenheit ſucht ſie den Gatten auf, um mit ihm, wenn au< nur kurze Zeit, ſüßer Vertraulichkeit zu pflegen. Bald aber kehrt ſie zu den früheren Pfändern ihrer Liebe zurück und erfüllt mit Aufopferung alles geſelligen Vergnügens die Mutterpflichten treulih. Selbſt dem Gatten wird der Zugang zu den geſeßten Jungen nicht geſtattet, weil wahrſcheinlich die ſorgſame Mutter wohl weiß, daß er in einem Anfalle von Raſerei oder aus übertriebener Zärtlichkeit fähig iſt, ihnen das Leben zu rauben. Bosheit treibt ihn dazu gewiß niht an; denn ex empfängt ſeine Kinder, wenn er ſie zum erſten Male erbli>t, mit Äußerung echter Zärtlichkeit nimmt ſie zwiſchen die Pfoten, le>t ſie und teilt mit VE Gattin die Bemühung, ſie ſung ſuchen zu lehren.“

Jn warmen Ländern ſind die Jungen bereits im fünften, in kalten im a<hten Monate fortpflanzungsfähig, doh erreichen ſie erſt im zwölften Monate ihr völliges Wachstum.