Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

54 Erſte Ordnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

In China iſt die Hung-po (Rotbruſt) oder T\chin-po (Goldbruſt), wie die Kalliope hier genannt wird, der allgemeine Liebling aller Vogelwirte. Sie läßt ſich ebenſo leiht wie ein Blaukehlchen im S<hlaggarne berü>en und wird daher oft gefangen: während der Zuggeit, zumal im Mai und September, ſieht man ſie auf den Vogelmärkten der Hauptſtadt in namhafter Menge. Man hält ſie niht im Gebauer, ſondern vermittelſt eines ihr um den Hals geſhlungenen Fadens angefeſſelt an einem Zweige, wie es im Norden des Himmliſchen Reiches überhaupt übli iſt. Durch Radde erfahren wir, daß die gefangenen bis gegen den September hin ſingen.

Dem Schüßen gegenüber iſt die Kalliope höchſt vorſichtig. Einige Männchen, welche Nadde in einer He>e auffand, ließen ſi< erſt in der Dämmerung beſ<hleihen, ſonſt aber kaum nahe kommen. „Hielt ih mih“, ſagt unſer Gewährsmann, „um ſie zu ſchießen, links von der He>e, ſo ſ{hlüpften ſie ſehr geſchi>t durch die kleinen Öffnungen auf die rete Seite und umgekehrt.“ Genau ſo verfahren, wie wir wiſſen, die Blaukehlchen.

Ein droſſelartiger, auf dem Firſte etwas gebogener, vor dem angedeuteten Haken ſeit eingekerbter Schnabel, mittelhohe, ſ<hwache Füße, ziemlich kurze und ſ{<wächlihe Flügel, in denen die vierte und fünſte Shwinge die anderen an Länge überragen, mittellanger, aus zugeſpißten Federn beſtehender, in der Mitte leiht ausgeſchnittener Schwanz und lo>eres, weitſtrahliges, bei beiden Geſchlechtern gleihfarbiges, in der Jugend gefle>tes Gefieder ſind die Kennzeichen einer Untergattung (Erithacus), deren bekannteſter Vertreter unſer allbekanntes Notkehl<en oder Rotbrüſthen, Kehl-, Wald- oder Winterrötchen, Rotkröpf<hen oder Rotbärtchen (Erithacus rubeculus, Motacilla, Sylvia, Curruca, Vicedula, Erythaca, Tusciola und Rhondella rubecula, Dandalus rubecula, pinetorum, foliorum und septentrionalis, Rubecula sylvestris, familiaris, Pinetorum, foliorum und septentrionalis), iſt. Die Oberſeite iſt dunkel olivengrau, die Unterſeite graulih, Stirn, Kehle und Oberbruſt ſind gelbrot. Das Weibchen iſt etwas bläſſer als das Männchen; die Fungen zeigen oben auf olivengrauem Grunde roſtgelbe SchaftfleXen, unten auf mattroſtgelbem Grunde graue Schaftfle>en und Ränder. Das große Auge iſt braun, der Schnabel ſ{<wärzli<braun, der Fuß rötlih hornfarben. Die Länge beträgt 15, die Breite 22, die Fittichlänge 7, die Shwanzlänge 6 cm.

Es ſcheint, daß unſer Rotkehlchen nur in Europa heimiſch iſt, ſi wenigſtens niht weit über die Grenzen dieſes Erdteiles hinaus verbreitet. Sein Brutgebiet reiht vom 67. Grade nördlicher Breite bis Kleinaſien und vom Atlantiſchen Weltmeere bis zum Ob. Auf ſeinem Zuge beſucht es Nordafrika, Syrien, Paläſtina und Perſien; die Hauptmenge der uns im Winter verlaſſenden Rotkehlchen bleibt aber ſhon in Südeuropa, ein und das andere ſogar in Deutſchland. Das ſüdliche England verläßt es überhaupt niht oder doh nur zum geringſten Teile. Fn Deutſchland iſt es überall gemein. Jeder Wald mit dichtem Unterholze gewährt ihm Herberge, und während ſeiner Reiſen beſucht es jedes Gebüſch, jede Hee, im Gebirge wie in der Ebene, im Felde wie im Garten, unmittelbar vor oder zwiſchen den Wohnungen der Menſchen.

Es iſt ein liebenswürdiges Geſchöpf, welches ſein munteres, fröhliches Weſen bei jeder Gelegenheit bekundet. Auf dem Boden ſißend, trägt es ſich aufre<ht, die Flügel etwas hängend, den Schwanz wagereht, auf Baumzweigen ſißend, etwas läſſiger. Es hüpft leichten Sprunges raſh, meiſt aber in Abſäßen über den Boden oder auf wagere<ten Äſten dahin, flattert von einem Zweige zum anderen und fliegt ſehr gewandt, wenn auh nicht regelmäßig, über kurze Entfernungen halb hüpfend, halb ſ<hwebend, wie Naumann ſagt, ſchnurrend, über weitere Stre>en in einer aus kürzeren oder längeren Bogen gebildeten Schlangenlinie, ſhwenkt ſih hurtig zwiſchen dem dichteſten Gebüſche hindurch und bethätigt