Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

66 Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

Grundfärbung und violetter und rötlihbrauner Fle>enzeihnung ſind die gewöhnliche, 6—7 eine niht ungewöhnliche Anzahl des Geleges. Ein ſolches Neſt fand ih im Anfange des Juli 1857 in der Sierra de los Anches bei Murcia. Es ſtand in einer ziemlih geräumigen Höhle, welche dur teilweiſes Zerbrö>eln und Herabfallen des Geſteines gebildet worden war, auf einem breiten, überdachten Steine, wie auf einem Geſimſe. Die Wahl des Ortes war zwe>mäßig; denn in dieſe Einöde des Gebirges kam wohl ſelten ein Menſch: nur hatte der Vogel niht bedacht, daß die Höhle ſehr leiht erreicht werden tonnte. Ich fand fünf no< na>te Junge in dem Neſte und fonnte über ſie niht lange in Ungewißheit bleiz ben; denn i< war noh niht mit der Unterſuchung des Neſtes zu Ende, als beide Eltern antamen, um zu füttern. Noch niemals, ſelbſt aus dem beſtgewählten Verſte>e no< nit, hatte ich den reizenden Vogel ſo nahe vor mir geſehen, wie es nun der Fall war. Die Eltern, ſonſt ſo ſcheu, ſchienen alle Vorſicht vergeſſen zu haben. Auf der einen Seite ſaß das Weibcen, faum 15 Schritt entfernt von mix; auf der anderen etwa ebenſoweit das Männchen. Erſteres flog ängſtlich von einer Felſenſpige zur anderen; das lettere blieb auf ſeinem Plage. Aber es ſang, als wollte es mich bitten, ſein Haus zu verlaſſen, tanzte, trippelte hin und her, ni>te und ſang und tanzte wieder. Der Auftritt wurde wirkli ergreifend: hier die immer beforgter und dabei dreiſter werdende Mutter, dort der Vater, welcher in ſeiner HerzenZangſt niht wußte, was er nur eigentli beginnen ſollte, um den gefährlichen Feind zu entfernen! Später einmal ſah ih beide Eltern den erſten Ausflug mit der glü>lih erzogenen Brut unternehmen. Vater und Mutter fliegen der munteren Geſellſhaft voraus, von Stein zu Stein, von Felſen zu Felſen. Die kleinen Kurzſhwänze ſind glei von allem Anfange an in dem Gebiete heimiſh. Da braucht nur eins der Eltern einen Warnungsruf aus8zuſtoßen, und im Nu iſt die ganze Schar in Steinrizen, zwiſchen und unter Felsblöden verſhwunden. Aber {hon nach wenigen Minuten iſt ſie auf einen anderen Ruf der Alten wieder auf den höchſten Spißen und Kanten der Steine verſammelt: der von den wachſamen Eltern bemerkte Feind iſt vorübergezogen oder hat ſi verſte>t; es ſcheint keine Gefahr mehr zu geben. Luſtig geht es weiter. Hier wird ein Käferchen aufgenommen, dort ein Würmchen. Vater und Mutter fliegen ſogar den hoch in der Luft hinſummenden Flieger: oder dahin gaukelnden Schmetterlingen nach und verfehlen ſelten die ins Auge gefaßte Beute. Aber das Kunſtſtü>k iſt von der ganzen Familie geſehen worden, und nun will jedes ihrer Glieder das erſte ſein, welches den Eltern das gefangene Kerbtier abbettelt. Das iſt ein Laufen, Rennen, Piepen oder Bitten; ſelbſt die ſtumpfen Flügel werden tüchtig benußt: richtig, das ſ<hwarze Männchen, welches immer voran iſt, war wieder der ſhnellſte und hat es erlangt! Aber da taucht von neuem der Kopf des Feindes hinter einem Steine auf, für die ſpielende Familie das Haupt der Meduſa: ein einziger Ruf des Männchens, und keines der Kinder iſt mehr zu erbli>en!

So bleibt die kleine Schar unter der Eltern treuer Hut, bis die Mauſer vorüber iſt; dann zerſtreut ſie ſih; denn jedes hat einen Gefährten gefunden. Der Juli, Auguſt und September ſind die Zeiten des Federwechſels; Ende Oktober, Anfang November ſieht man die einzelnen Pärchen bereits vereinigt und von der Familie getrennt, wenn ſie auh gern noh in Geſellſhaft mit anderen Pärchen bleiben. Jm Januar wird ſchon rüſtig geſungen; im Februar hört man das volle Lied: es iſt dem der Blaumerle täuſchend ähnlih, wenn au< niht ſo laut, ſo ſchallend, und endet gewöhnlih mit einem eigentümlichen Knarren, welches ſehr an unſeren Hausrotſhwanz erinnert.

Der Steinſhmäßer, Steinſänger, Steinquaker, Steinelſter, Steinktlitſ<, Steinfletſcher, Steinpi>ker und Steinbeißer, Weißſ<hwanz, Weißbürzel, Sommer- und Totenvogel 2c. (Saxicola oenanthe, rostrata, libanotica, oenanthoides