Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

74 Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

ſißenden Waſſertierchen abzuleſen. Hält der Regen längere Zeit an, ſo fommt er zuweilen in harte Not und wird infolge der Entbehrung trübe geſtimmt. Dann endet jeder Geſang und jede unnüße Bewegung. Jm ärgſten Notfalle beſucht er auch die ſtillen Buchten am Uſer, welche er ſonſt meidet, und betreibt hier ſeine Jagd. Aber ſobald das Waſſer n< wieder Élärt und die Sonne wieder ſcheint, hat er auh ſeine gute Laune wiedergewonnen und iſt wieder ebenſo heiter und fröhlih geworden, wie er es jemals war.

Über die Fortpflanzung hat mein Vater ſchon vor zwei Menſchenaltern ausführliche Beobachtungen veröffentlicht und ſie ſpäter vervollſtändigt. „Der Wajſerſhmäßer“, ſagt ex, „brütet ungeſtört gewöhnlich nur einmal, ausnahmsweiſe jedo<h auh zweimal im Fahre, das erſte Mal im April. Zu Anfang dieſes Monats fängt er an zu bauen und 14 Tage ſpäter zu legen. Das Neſt ſteht immer am Waſſer, beſonders da, wo ein Felſen darüber hinweg- oder daran emporragt, wo ein Erlenſto> oder ein Wehr eine paſſende Höhlung bildet, auh unter Brü>ken, Waſſerbetten, in den Mauern der Radſtuben von Mühlen, Eiſenhämmern und dergleichen, ſelbſt in den Schaufeln der Mühlräder, wenn dieſe eine Zetilang ſtill geſtanden haben. Am angenehmſten iſt es unſerem Vogel, wenn er das Neſt ſo anbringen kann, daß vor ihm eine Waſſermaſſe hinabſtürzt. Dann iſt es natürlich vollkommen gegen die Nachſtellungen der Katen, Marder, JZltiſſe und Wieſel geſhüßt und nur noch den Ratten zugänglich. Zu einem ſolchen Neſte, welches ih in der Radſtube einer Mühle ſah, konnte ih niht eher gelangen, als bis der Mühlenbeſißer mir zuliebe das Waſſer abgeſperrt hatte. Das Neſt beſteht äußerlih aus Reiſern, Grasſtengeln, Graswurzeln und Grasblättern, Strohhalmen, oft au< aus Waſſer- oder Erdmoos, und iſt inwendig mit Baumblättern ausgelegt. Es iſt lo>er gebaut, aber di>wandig, inwendig tiefer als eine Halbkugel und hat ſtets einen engen Eingang, der gewöhnlih dadurch entſteht, daß jenes die Höhlung, in welcher es ſich befindet, ganz ausfüllt. Jt aber das Niſtlo< zu groß, dann bekommt es eine Dee, wie ein Zaunkönigsneſt, und ein enges Eingangsloch. Es beſteht dann großenteils aus Moos. Jn der Schaufel eines Mühlenrades füllt es dieſe gewöhnlih zum Teil aus und iſt mit großer Kunſt in eine nah unten ſich öffnende ſo angebracht, daß es niht herausfallen kann, dann zuweilen 60 cm lang. Man findet darin 4—6 Eier, welche 22—26 mm lang und 18 —19 mm di>, ſehr verſchieden geſtaltet, dünn- und glattſchalig, mit deutlichen Poren und glänzend weiß ſind. Das Weibchen bebrütet ſie ſo emſig, daß man es auf ihnen oder auf den zarten Jungen ergreifen kann, erzieht aber denno< gewöhnlih nur 2, ſeltener 3 Junge; das Faulen mehrerer Eier dieſes Vogels rührt wahrſcheinlih daher, daß das Neſt oft ganz feucht iſt. Wenn die Alten bei dem Neſte nicht geſtôrt werden, legen ſie ihr ſheues Weſen ab und werden zutraulich, ſo daß ſie ſih vor den Menſchen wenig fürchten. Beſonders hübſch ſieht es aus, wenn ſie, um zu ihrer Brut zu gelangen, einen Waſſerſturz durchfliegen.“ Zur Vervollſtändigung des Vorſtehenden will ich noh erwähnen, daß der Waſſerſhmäßer zuweilen auch vollſtändig frei ſtehende Neſter auf Steinplatten am Rande des Baches baut und infolge der übereinſtimmenden Färbung der Bauſtoſſe mit der Umgebung dennoch auf Schuß ſeiner Brut re<hnen darf; von Tſ<huſi, welchem wir dieſe Mitteilung verdanken, erzählt, daß die von ihm aus ſolchem Neſte geſheu<hien Jungen ſofort ins Waſſer ſtürzen, untertauchen, in der Tiefe geſhi>t fortſhwimmen, bis ſie eines der ausgehöhlten Ufer erreihen, um ſih hier zu verbergen. Junge, welche von Tſchu ſi fing und wieder ins Waſſer brachte, tauchten ſogleich unter, ſtre>ten den Hals weit vor und förderten ſih, nur mit den Füßen ſtoßend, die halb ausgewahſenen Flügel als Nuder benußend, ſtoßweiſe ſo raſch fort, daß ſie mit 5—6 Stößen gewöhnlich an ihrem Verſte>plaßze angekommen waren.

Feinde der Waſſerſhmäßer ſind die nächtli<h umherſchleihenden Raubtiere, welche, wenn es einer le>eren Beute gilt, auh einen Sprung ins Waſſer niht ſcheuen. Die Brut