Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Agami. — Schlangenſtörche: Allgemeines. 685

Früchte, Körner und Kerbtiere bilden die Nahrung.. Die Jungen bevorzugen Würmer und Kexrfe; die Alten gewöhnen ſi<h an Getreide aller Art und Brot.

Der Agami niſtet an der Erde, ſcharrt hier, wie die Hühner, am Fuße eines Baumes eine ſeite Vertiefung und legt 10 oder mehr hellgrüne Eier. Die Jungen ſind vollendete Neſtflüchter, verlaſſen alſo ſofort nah dem Trocenwerden mit den Eltern die Brutſtätte, tragen aber den ſehr dichten, langen und weichen Neſtflaum mehrere Wochen.

Man findet den Agami, laut Schomburgk, in allen Jndianerniederlaſſungen in einem Zuſtande vollkommener Freiheit, gewöhnlih als Wächter und Beherrſcher des übrigen Ge- ſlügels. Er lernt die Leute, die ſi< mit ihm abgeben, kennen und lieben, gehort der Stimme ſeines Herrn, folgt ihm wie ein Hund, geht vor ihm her oder umtanzt ihn in erheiternden Sprüngen, zeigt lebhafte Freude, wenn der Gebieter nah längerer Abweſenheit wieder zurü>fommt, und iſt eiferſüchtig auf andere Tiere, welche die Liebe des Herrn mit ihm teilen. Für Liebkoſungen zeigt er ſih ſehr empfänglich, duldet es zum Beiſpiel, daß man ihm an Kopf und Hals kraut, fordert ſogar zu der anderen Vögeln höchſt unangenehmen Berührung förmlich auf. Bekannten des Hauſes erweiſt er Ehrerbietung, Fremde betrachtet er mit Abneigung und gewiſſe Perſonen mit Haß. Seine Herrſchſuht bethätigt er übrigens niht bloß an dem Hausgeflügel, ſondern auh an Hunden und Kaen, denen er kühn zu Leibe geht, wahrſcheinlih weil er für ſeine Untergebenen fürchtet. Ein gefangener Agami des Alimatiſationsgartens in Paris führte eine Schar Hühner, als ob ex deren Herr wäre, rief ſie herbei und glu>ſte. Einzelne ſollen, wie Kraniche, ſelbſt Schafherden auf der Weide bewachen. Jn den Straßen der Ortſchaften von Guayana ſieht man oft welche frei umherlaufen; denn ſie finden fi<h, auh wenn ſie ſich weit vom Hauſe entfernen, regelmäßig wieder ein. Nah Schomburgk pflanzen ſie ſi< in der Gefangenſchaft zuweilen fort.

Die dritte Familie (Dicholophidae) umfaßt die Schlangenſtörhe (Dicholophus), hödſt eigentümlich geſtaltete Vögel, die in vieler Hinſicht an den Kranichgeier erinnern und früher mit ihm in einer Familie vereinigt wurden. Der Leib iſt ſhlank/ der Hals lang, der Kopf ziemlih groß, der Schnabel etwas kürzer als der Kopf, ſ{hlank,/ geſtre>t, mäßig zuſammengedrückt, an ſeinem Wurzelteile gerade, am Vorderteile oder gegen die Spige hin gebogen und hakig, einem geſtre>ten Naubvogelſ<hnabel niht unähnli<h, der Fuß lehr hoh, weit über die Ferſe hinauf unbefiedert, langläufig und kurzzehig, beſonders ausgezeihnet noh durch die dien, ſtark gekrümmten und zugeſpißten Krallen, alſo an den Fang eines Raubvogels erinnernd, der Flügel furz, aber hart und kräftig, unter ſeinen Schwingen die vierte und fünfte die längſte, das Armgefieder ſo verlängert, daß es den ruhenden Flügel von oben bede>t, der aus zehn Federn beſtehende Schwanz lang und ſtark abgerundet, das Gefieder des Kopfes lang, ſchmal zugeſpißt und weihlih, das der Stirn vom Schnabelgrunde an zu einem aufre<htſtehenden Schopfe verlängert, das des Bauches und Steißes weih und daunig, das die Naſengrube und den Mundrand umgebende borſtig; ein Zügelfle>den bleibt unbefiedert. Der innere Bau ähnelt dem der Kraniche, in- gewiſſer Hinſicht aber auh dem der Rallen. Die Wirbelſäule beſteht aus 14 Hals- 7 Rücken-, 13 Bekenund 7 Schwanzwirbeln; das Bruſtbein trägt einen hohen Kiel und iſt am Hinterrande nicht ausgebutet; die Zunge iſt halb ſo lang wie der Unterkiefer, flach, glatt, ganzrandig, ihre Spie eine glatte, dünne Hornplatte; der di>wandige Schlund geht durch einen Éleinen Vormagen in den dehnbaren häutigen Magen über.

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