Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation
1) durch den Nachweis der Trennung von Sein und Vernunft und ihrer entsprechenden Zuordnung zu Kreatur und Gott, 2), und dies hängt mit dem ersten zusammen: durch den Nachweis des Mangels eines korrekten thomistiscnen Analogiebegriffs. Darauf werden wir später zurückkommen bei der Erörterung der negativen Theologie.
Der Begriff des Seins ist gefaßt im Sinn des esse commune. Es wird nebengeordnet denen der Zeit und des Raumes und kommt den Dingen zu: 268, 10: Waz wesen hat, zit oder stat, daz enrüeret ze gote niht, er ist dar über. Gott wird von dem Sein nicht affiziert. Er ist seinem Wesen nach über dem Sein, aber doch darinnen (268, 51) : 268,10: got ist etwaz, daz von nöt über wesen sin muoz. Got ist in allen Dingen als si wesen haben und ist doch da enboben. Jedes Ding wirkt innerhalb seines Seinsbereichs. Gott wirkt grundsätzlich oberhalb jedes Seins, weil er das Sein hervorbringst, denn er wirkte, ehe das Sein war (268, 55). Gott ist also dem Sein als seine Entstehungsbedingung vorgeordnet, daher darf ihm prinzipiell keine Seinsbestimmung zukommen. Ecdhart wendet sich sogleich gegen eine Gruppe von Meistern, die das Sein Gottes von dem der Kreatur lediglich durch eine höhere Qualität unterscheiden wollen. Sie sagen: Got si ein lüter wesen (268,56). Dieses esse purum ist aber immer noch ein esse; die qualitative Sonderung gewährleistet keine grundsätzliche Trennung. Das trägt ihnen die wenig schmeichelhafte Bezeichnung ein, sie seien gröbe meister, und, um jede Vermengung des Gottesbegriffs mit dem Seinsbegriff auszuschließen, wagt Eckhart den paradox klingenden Satz: 268, 56: er ist alsö höch über wesen, als der oberste engel ist über eine muggen. Und ich spreche als unreht, als ich got hieze ein wesen, als ob ich die sunne hieze bleich oder swarz. Got enist weder diz noch daz. Ein Dies oder Das, ein „iht“ (268,40) fällt in den Bereich des Seins.
Nach der negativen Abgrenzung, was Gott nicht ist, erwarten wir eine positive Bestimmung. Wir hören ihn in der Diktion der negativen Theologie fortfahren: 269,1: Daz ich aber gesprochen habe, got si niht ein wesen und si über wesen, hie mit habe ich im niht wesen abe gesprochen sunder ich habe es ime gehoehet. Die Gefahr, die wir soeben beseitigt glaubten, scheint hier wieder aufzutauchen: Gott hat zwar ein „gehoehtes“ Sein, ein Sein per excessum, aber dennoch ein Sein, und doch gerade vorher hatte Eckhart die Prädikation des esse purum von Gott abgelehnt! Wir werden gleich sehen, welcher neue Sinn sich hinter der traditionellen Formel verbirgt. Eckhart setzt sich in dem folgenden Text auseinander mit den „kleinen Meistern der
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