Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871
Freilaſſung der Tochter Ludwig XVL 75
Frungen und Konfiskationen ſo vieles geiſtlihen und adeligen Beſitzes, zvar der Schaß immer leer geblieben, und hatten die Ausgaben die Ein= zahmen überſtiegen. Die unteren Volksklaſſen waren dur die neuen Einrichtungen offenbar auf die Bahn zur Erwerbung größeren Wohl= andes geführt worden, aber der Staat ſchien eben ſo unvermögend wie ¿inter Ludwig XY. und Ludwig XVT. zu ſein, und konnte ſeine Bedürfz viſſe nur dur außerordentlihe Maßregeln befriedigen. Das Direkto= zium ſ<lug eine Zwangsanleihe von 690 Mill. Fr., in baarem Gelde eder in Aſſignaten zum hundertſten Theile ihres Nennwerthes bere<net, vor, zu deren Erhebung es, ungeachtet des Widerſpruches vieler einz ¿elnen Stimmen, von den beiden Räthen ermächtigt wurde (9, December i795),
Nach dem Tode des jungen Dauphin war bfters davon die Rede Zeweſen, deſſen Schweſter, die Prinzeſſin Marie Thereſia, aus dem Temple zu entlaſſen, und ihren öſterreichiſchen Verwandten zu übergeben. Die franzöſiſche Regierung hätte, da die Tochter Ludwig XVL. ſchon na< ven Grundſäßen der alten Monarchie keine öffentliche Stellung für ſi in Anſpruch nehmen konnte, gegen ihre Freigebung nichts einzuwenden gehabt. Kaiſer Franz IT. würde hierzu ebenfalls gern die Hand geboten aben, glaubte aber, da die franzöſiſ<he Republik von ihm nicht anerkannt worden, mit den revolutionairen Behörden in keine unmittelbare Verbin= ung treten zu können. Es ward endlich der Ausweg einer Militairkonz oention, da Verhandlungen der Art die politiſchen Fragen nicht berühren, gewählt. Clairfayt und Pichegru kamen überein, die Tochter Ludwig XVI. zegen mehre in den öſterreichiſhen Gefängniſſen befindliche Franzoſen auszuwechſeln. Es waren dies, außer den oben genannten Konventsmit= gliedern : Camus u. ſt. w., zwei franzöſiſche Diplomaten : Maret, unter Napoleon Herzog von Baſſano, und der Marquis von Semonbville, die, zuit einer Miſſion nah Neapel und Konſtantinopel beauftragt, in Grau= vünden von den Oeſterreichern aufgehoben worden waren.
Die Prinzeſſin Marie Thereſia war bis zu der Zeit, wo, in Erwar= tung der bäldigen Auswechslung, mehre royaliſtiſhe Damen*) zu ihr gelaſſen wurden, mit dem Schiſal ihrer Mutter, ihrer Muhme und :hres Bruders ganz unbekannt geblieben. Das königliche Geſchwiſterpaar atte, nahdem Marie Antoinette in die Conciergerie abgeführt worden
*) Zu ihnen gehörte Fräulein Pauline de Tourzel , Tochter der Oberaufſeverin der Kinder von Frankreih, welche die königlihe Familie auf der Flucht ua Varennes begleitet hatte.