Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

2306 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

In Paris allein war der Anfang zu einer Volksbewaffnung gemacht worden , die, wenn der Kaiſer gewollt, ohne Zweifel weiter um ſich ge= griffen haben würde. In den Vorſtädten St. Antoine und St. Marceau traten 30 bis 40,000 Arbeiter zuſammen, nannten ſi< in Erinnerung an das Jahr 1792 Föderirte und verlangten, bewaffnet zu werden, wurden aber von Napoleon abſichtlich in ihrer Organiſation gehindert. Er fürchtete, daß ſie unter gewiſſen Umſtänden von der republikaniſchen Partei gegen ihn gebraut werden könnten.

Die übrigen Gränzen gegen Deutſchland, die Schweiz, Piemont und Spanien waren, da Napoleon die Nordarmee ſo viel als möglich ver= ſtärkt hatte, ſo ſchwa beſet worden , daß die dort aufgeſtellten Truppen dem Feinde keinen ernſten Widerſtand leiſten konnten , und auf den Aus= gang des Krieges keinen Einfluß ausgeübt haben. Napoleon war der Vendée ſo wenig gewiß, daß er dort 18,000 Mann unter dem General Lamarque ſtehen laſſen mußte, ſo fehr er auh dieſes Korps und ſeines ausgezeihneten Generals an der Nordgränze benöthigt geweſen wäre.

Die Verbündeten ließen ihre Streitmacht in drei großen Heeresfäulen gegen Frankreich anrüd>en, die, von der Maas bis zu den Alpen reichend, u gleicher Zeit die franzöſiſchen Gränzen überſchreiten, und ſich bei Paris vereinigen ſollten. Denn man glaubte anfänglich, daß Napoleon dort den Angriff erwarten würde. Dieſer Plan war auh wirkli<h von dem Marſchall Soult vorgeſchlagen, von dem Kaiſer aber aus politiſchen und militairiſhen Gründen verworfen worden. In Belgien ſtanden 120,000 Preußen unter dem Feldmarſchall Fürſten Blücher von Wahlſtatt, dem erſten deutſchen Feldherrn, der das Zahxr vorher durch ſeinen kühnen Zug auf Paris Napoleon's Schickſal entſchieden hatte, und in ſeiner Nähe lag ein aus 100,000 Engländern, Belgiern, Holländern, Hannoveranern und Braunſchweigern zuſammengeſeßtes Heer, von dem Herzoge von Wellington befehligt, der die Franzoſen fünf Jahre lang in Spanien und Portugal bekämpft, und zuletzt in Frankreich ſelbſt eingedrungen war. Zweimal hunderttauſend Oeſterreicher rü>ten nah dem Oberrhein vor, und 100,000 Deutſche und Piemonteſen ſammelten ſi< am Fuß der Alpen. Hundert achtzigtauſend Ruſſen waren aufgebrochen , aber wegen der weiten Entfernung noc zurü>geblieben , und bildeten die Reſerve dieſes allge= meinen europäiſchen Auſgebotes, Ein ſpaniſches Heer von 70,000 Mann zog ſi an den Pyrenäen zuſammen, ſeßte ſich aber erſt na< Entſcheidung des Feldzuges in Bewegung.

Das Mißverhältniß zwiſchen Napoleon's und ſeiner Gegner Macht war ſo groß, daß wohl kein anderer Feldherr als er einen glüdlihen Aus=