Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

drückte der antike Grieche oder Römer seine Hinwendung zur Gottheit durch emporgetragene Arme und offene Handflächen aus als Ausdruck der Erhebung. Der Christ dagegen betet mit gefalteten Händen als Ausdruck der Unterwürfigkeit, ursprünglich entstanden aus dem „dare manus“, dem Hinhalten der Hände zur F esselung an den Sieger. So wird die Pantomimik, die Lehre vom Ausdruck des ganzen Körpers, zu einer sehr komplizierten Wissenschaft, deren erstes Alphabet wir nicht so zu erraten vermögen wie die Ausdruckszüge des menschlichen Gesichtes. Dies ist der Grund, weshalb wir uns in unserer ÄAusdrucksdeutung an das menschliche Gesicht halten und uns im wesentlichen auch darauf beschränken.

Die Kretschmerschen Konstitutionstypen

Mit Kretschmer befinden wir uns bereits im 20. Jahrhundert. Überblicken wir die Reihe der bisher betrachteten Forscher, so können wir sie in zwei Gruppen einteilen: in die Physiognomiker, deutlicher die Körperbauphysiognomiker, zu welchen wir Aristoteles, Porta, Lavater und Gall zählen, und die Pathognomiker oder, wie wir sie nennen wollen, die Ausdrucksphysiognomiker, wie Engel, Bell, Piderit und Darwin. Diese beiden Richtungen können wir im 20. Jahrhundert weiter verfolgen. Beide treten eigentlich erst jetzt in das Stadium der exakt betriebenen Wissenschaften ein. Was bisher in der Körperbauphysiognomik produziert worden war, bewegte sich fast ausschließlich im Dilettantischen. Die angenommenen Zusammenhänge zwischen Körperbau und Charakter waren fiktiv und phantastisch.

Kretschmer untersuchte auf der psychiatrischen Klinik in Marburg eine große Anzahl von Geisteskranken. Es gelang ihm, drei Körperbautypen zu unterscheiden, die

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