Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

reden. Das Ideal der Beschreibung wäre es vielmehr, überhaupt nur räumliche Maße anzugeben. Prüfen wir, ob dies wenigstens bei der Lideinstellung möglich ist! Im ersten Ansatz gewiß. Wir definieren das offene Auge als eines, bei dem die Lidspalte so weit offen ist, daß der ganze Augenstern (der Ring der Regenbogenhaut oder Iris) sichtbar ist (Baby I, 2; Pastillenmann Fig. 12; Arbeitsloser XVI, 1) oder doch ihr größter Teil, so daß höchstens der oberste Teil bedeckt ist (Lina IV, 7; Goethe von Tischbein und Kügelgen II, 2, 4; Bach VI, 4; Shakespeare II, 7, 8; Lessing VIII, 2; kleine Raucherin I, 1); oder es ist bei nicht ganz gerader Blickrichtung ein Teil der Iris bedeckt und dafür mehr vom Weißen des Auges (der weißen Lederhaut) sichtbar (unser Versuchsporträt Michaela IV, 2; Frau Montessori IV, 8; Elga Brink X, 3; Josma Selim X, 9; Byron Fig. 13, 14).

An den Augenlidern ist ein Schließ- und Öffnungsmechanismus im Gegenspiel des inneren ÄAugenschließers oder Lidmuskels gegen den Augendeckelheber des Oberlides vorhanden, das Unterlid dagegen hat keinen eigenen Öffner und steht offen, wenn es nicht eben geschlossen wird. Zur offenen Einstellung kommt es, wenn der Öffnungsmechanismus beiweitem stärker ist als der Schließmechanismus. Dann ist Einstellung auf den Reiz vorhanden, und zwar auf Aufnahme optischer Reize, auf das Schauen im allgemeinen oder auf eine Vielheit von Gegenständen. Denn die Einstellung auf einen Einzelgegenstand wäre die abgedeckte.

2. Die seelische Haltung, die der offene Blick ausdrückt, ist also jedenfalls die der Empfänglichkeit. Daher finden wir den offenen Blick so häufig bei großen schöpferischen Naturen, die von Eindrücken einer reichen Außen- oder Innenwelt gespeist werden (Goethe II, 15; Shakespeare II, 7, 8; Lessing VIII, 2; Byron Fig. 13, 14;

74