Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel
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nah Berlin, welcher eine Leidenſchaft zu mir faßte und um mich anhielt. Abex bald darauf fiel ex in eine gefährliche Krankheit und während derſelben wurde ex plößlich ſo bigott, daß die Verſchiedenheit der Religion zwiſchen ihm und mir ihm als ein unüberſteigliches Hinderniß erſchien und als ex beſſer wurde, machte er ſich ſo viel Sorgen hierüber und daß eine Ehe mit einer Proteſtantin ein Unrecht ſei, daß auf meine Vitte unſere Verlobung wieder aufgehoben ward.
Der jüngere meiner beiden Vettern Vosſ, dex ſich ſeit vier Jahren als Geſandter in Dresden befand, bat um dieſe Zeit den König um ſeine Abberufung, welche ihm auch in Gnaden gewährt wurde. Seine Majeſtät zeichnete ihn bei ſeiner Heimkehr auf das Ehrenvollſte aus, ſtellte ihn im auswärtigen Miniſterium an und gab ihm eine Penſion von 2000 Thlr. J< ſah ihn viel an Hof und begegnete ihm überdem tägli<h in meinem elterlichen Hauſe, wo ex mir, ebenſo wie an Hof, viel Aufmerkſamkeit und Wohlwollen zu zeigen pflegte. Auch hielt ex bald na< dem Tode meines Vaters um mich an; aber meine Mutter verweigerte aus verſchiedenen Gründen ihre Einwilligung.
Meine Lage an Hof wax mittlerweile eine ſehx \{<wierige geworden. Der Prinz verlangte immer ſtürmiſcher von mix das Verſprechen, denſelben nicht zu verlaſſen und wiedexholte mix fort und fort ſeine Anträge. Er wollte Alles auf der Welt für mi< thun; aber konnte und durfte ich es annehmen? —
Meine eigene Bedrängniß, die täglichen Nöthe und Leiden, die dieſe unglückliche Sache mix veruxſachte, vor Allem der Wunſch des Königs, den es immer mehr beunruhigte, den Prinzen einer ſo heftigen Leidenſchaft einzig und allein nahhängen zu ſehen, zwangen mi, gewaltſam einen Eut-