Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel
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19. Fuli:
Ach, wel<? unglückſeliger fürchterlicher Tag. J<h hoffte die ganze Nacht vergebens, der König werde ankommen; um 1 Uhr ging ih auf einen Augenbli> in mein Zimmer; man rief mich eilend zurü>, da der Zuſtand der Königin jeden Moment ſ{<limmer wurde; ſie hatte gar keinen Athem mehr, dann kamen Erbrechen und wiederholte Ohnmachten. Endlich gegen 5 Uhr kam der König, aber die Königin hatte bereits den Tod auf der Stirn geſchrieben! — Und doch, wie empfing ſie ihn? — mit welcher Freude umarmte und küßte ſie ihn und ex weinte bitterli<! — Dex Kronprinz und Prinz Wilhelm waren mit ihm gekommen; ſo viel die arme Königin es nux vermochte, verſuchte ſie noh immer zu ſprechen; ſie wollte ſo gern immex no< zum König reden, ach, und fie fonnte es niht mehr! — ſo ging es fort und ſie wurde immer ſ{hwächer. Dex König ſaß auf dem Rand des Bettes und ih kniete davor; er ſuchte die erkalteten Hände der Königin zu erwärmen, dann hielt er die eine und legte die andere in meine Hände, um daß i< ſie warm reiben ſollte. Es war etwa neun Uhr; die Königin hatte ihren Kopf ſanft auf die Seite geneigt und die Augen feſt gen Himmel gerihtet. Jhre großen Augen weit geöffnet und aufwärts bli>end, ſagte ſie: „Jh ſterbe, o Jeſu mach? es leicht!“ — Ah, das war ein Augenbli> wie Niemand ihn je vergißt! Jh bat den König ihr die Augen zuzudrücken, denn der leßte Athem war entflohen! — Ach, das Schluchzen und Weinen des unglücklichen Königs, der Kinder und Aller, die umher kniceten war ſchre>lih. Die Wege Gottes find unerforſ<li< und heilig, aber ſie find furhtbax zu gehen. Dex König, die Kinder, der Staat, der Hof, Alle, ja Alle