Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

B. Chnuphis und Schüler (Hermes). 129

wendet, entspricht ein nicht minder krankhaftes Streben, Entlehnungen aufzuspüren. Aber wir dürfen darum nicht allzu skeptisch werden. Einzelne Anschauungen und Worte griechischer Philosophen sind durch die hellenistische theologische Literatur zweifellos in Kreise gedrungen, die nie von der Existenz eines Heraklit oder Sokrates und Platon Kunde empfangen hatten. Es ist «a ‚priori kaum festzustellen, welche Gebiete ganz unberührt von den einzelnen Samenkörnern geblieben sind, die der Sturm dieser Zeit mit sich über die Lande führte. ”

Daß Hermes in die Agathodaimon-Literatur erst nachträglich eingetreten ist und Osiris, den Sohn des Offenbarungsgottes, verdrängt hat, zeigen die früher angeführten Fragmente. Dennoch scheinen auch Kultverbindungen frühzeitig eingetreten, wie m. E. die im ersten Kapitel angeführten Gebete, deren erstes ja Hermes geradezu mit ’Ayadöc daiuwv identifiziert, fast zwingend erweisen. Die Vorstellungen von den verschiedenen Göttern, welche im praktischen Leben oder im Suchen nach theoretischer Erkenntnis Erfolg geben, fließen ineinander, und die übliche Verbindung je zweier Götter, eines leitenden und eines dienenden oder eines lehrenden und eines lernenden, führt zu mannigfaltigen Kombinationen der beiden. bisher besprochenen Typen.

Unter diesen Voraussetzungen müssen wir die in spätptolemäischer Zeit eingegrabene Felsinschrift von den sieben Hungerjahren auf der Katarakteninsel Sehöl noch einmal betrachten.) Bei einer großen Hungersnot, als der Nil gar nicht steigen will, befragt König Doser den weisen Imhotp (Asklepios) nach der „Geburtsstätte des Nil“. Asklepios befragt die heiligen Bücher?) und eilt, dem König „die verborgenen Wunder zu enthüllen, zu denen seit undenklichen Zeiten keinem König der Weg gewiesen worden war“. Es gebe ein Stadtgebiet inmitten des Wassers, in dem der Nil zu Tage trete, es heiße Elephantine..... ‚ das Wasser heiße „die beiden Löcher“; das sei die Schlafstätte des Nils. Chnum walte dort als Gott; sein Tempel öffne sich nach Südosten. Der König opfert diesem

1) Vgl. Sethe, Untersuchungen zur Geschichte und Altertumskunde Ägyptens II 1, Dodekaschoinos.

2) Auch in der Bibliothek des Horus-Tempels von Edfu (Bergmann, Hieroglyphische Inschriften 8. 48) begegnet ein Buch unter dem Titel „Aufzählung aller Orte und Kenntnis dessen, was daselbst ist“,

Reitzenstein, Poimandres, y