Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

Zusätze und Berichtigungen. 369

Le livre des transformations, Paris 1890, planche IX, X) den Menschen zerlegt in seine sieben Glieder (vgl. oben 8. 170). Der Kopf ist besonders gelegt. Die Abbildungen geben immer die Phasen der Verwandlungen; eine solehe liegt auch hier vor. Mit Recht haben die Ägyptologen diese Darstellung mit dem prähistorischen Brauch einer „sekundären Bestattung“ in Verbindung gebracht, den der Fund der Nekropole von Negada uns kennen lehrte (vgl. Wiedemann bei Morgan, Recherches sur les origines de ’Egypte 203 f.). Von frühester Zeit bis ins alte Reich hinein finden wir die befremdliche Sitte, dem Toten den Kopf abzuschneiden, die einzelnen Glieder auseinander zu lösen, das Fleisch abzukratzen und die Gebeine dann wieder in Ordnung und zwar in der Stellung des menschlichen Embryo zusammenzufügen. Den Sinn gewinnt Wiedemann überzeugend aus den Pyramidentexten und dem Totenbuch. Die Wiederzusammenfügung bedeutet die Erneuerung des Lebens, also die maAıyyevecia. So vollzieht sie die Gottheit oder der Tote selbst: Pepi a reuni ses os, il s’est rassemble ses chairs (&uvtöv cuAA&yaı), oder: Nout te donne ta tete, elle te fait cadeau de tes os, elle assemble tes chairs, elle ttapporte ton coeur en ton ventre. Von dem wohltätigen Dämon, der den Toten das Gedächtnis gibt, heißt es im 90. Kapitel des Totenbuchs, daß er ihnen das Haupt abschneide (offenbar, um es später wieder anzufügen), und im 43. Kapitel desselben Buches waltet die Vorstellung, daß der Geist nur dann in der Unterwelt seinen Kopf (den Sitz des Lebens) behalten kann, wenn dem Leibe der Kopf abgeschnitten und dann wieder angesetzt ist. Nach dieser Prozedur sagt der Tote: la tete d’Osiris (dem dies auch begegnet war) ne lui est pas enlevee, ma tete ne m’est pas enlenee. je swis mis en ordre, je deviens nouveau, je deviens jeume, je suis Osiris (ämedeuißnv). Mancherlei Fragen, die sich hierbei erheben, z.B. wie weit Zosimos’ Vorstellungen vom Fegefeuer und einem qualvollen Übergang von dem einen zum andern Leben alten Volksyorstellungen entsprechen, ob die Gleichsetzung des Skeletts mit dem mveüua in späteren Zauberformeln ägyptischer Anschauung entspricht, wie die griechische Zaubersage mit Ägypten zusammenhängt, muß ich hier übergehen. Nur die Tatsache, daß sich in den späten Visionen des Zosimos Religionsvorstellungen und Kultbrauch einer um drei Jahrtausende zurückliegenden Zeit spiegeln, möchte ich hervorheben. Unverstandene Überbleibsel alter Formeln und Vorstellungen boten schon jene ältesten Abschnitte des Totenbuchs. Ihr plötzliches Wiederaufleben scheint mir nur durch die Existenz einer hellenistischen Mystik und Theologie erklärbar. Sie läßt aus den Tiefen des Volksglaubens, der sich im Zauber erhält, uralte Anschauungen wieder auftauchen, die in mystischer Umdeutung jetzt neue Wirkung gewinnen. Der ägyptische Ursprung des Hermetischen Stückes und seiner Grundgedanken scheint mir hiermit noch zwingender erwiesen, die Bildung auch dieser hellenistischen Vorstellung von der Wiedergeburt klar; sie ist zugleich ein Erleben des Todes und der Bestattung im diauekicuöc. Für den Theologen aber ergibt sich hieraus eine eigentümliche Frage: eine sittliehe Forderung und eine Unsterblichkeitshoffnung, die nicht aus dem ägyptischen Hellenismus stammt oder stammen kann, kleidet Paulus in Bilder und Worte, die jenen Formeln nahe kommen, Röm. 6, 2—13: oitıvec Amedavonev A ddıkia, bc Erı Zricouev Ev aurf,; fj @rvoeire Örı öcoı tBamrichnuev eic Xpıcröv, Reitzenstein, Poimandres. 24