Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

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Mein verehrtes Fräulein !

Im Begriff, Ihren Heimathsort und dort ein Hohes Gli für mi aufzuſuchen, ‘erlaube ih mix anzufragen, ob Sie geſtatten, daß ih bei Jhnen voxrſpreche und mi perſönli nah Jhrem Befinden exfundige ?

Jn der Hoffnung auf gütigen Empfang, mit aufrich= tiger Verehrung Jhr ganz ergebener

Dr. S<hmidt.® -

Melanie hatte halblaut geleſen. „F< ſehe feinen Grund zu der Annahme, daß der Doktor Aufträge von dex Gräfin überbringt,“ ſagte ſie ruhig.

„Möalich, ja vielleicht wahrſcheinlicher noch,“ entgegnete die Räthin mit einem kurzen triumphirenden Auflachen, „daß der junge Mann in eigenen Angelegenheiten zu Dix fommt. Jh denke, Du beeilſt Dich, ihm ein freundliches Willkommen zu ſchreiben ?“

„Wenn er hier zu thun hat, wird ex auh ohnedies hexrfommen.“

„Nun, ſo werde ih ſ<hreiben! — Daß man Dich ver= geblich zu dieſer einfachſten Höflichkeitsform antreiben muß !“

Sichtlich ärgerli<h nahm die Räthin den Brief aus ihrer Tochter Hand und ging davon.

Die beiden jungen Leute, vorher ſo behaglich geſtimmt und in dem Gefühle ſhwelgend, daß man ſi Endloſes zu erzählen habe, verharrten jebt in einem peinlichen Verſtum= men. Beide fühlten ſi von einem unbehaglichen Gedanken= gange beherrſ<t. Melanie glaubte die Mutter entſhuldi= gen zu müſſen und founte doch niht das rechte Wort