Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

108 Der Walisman des Weibes,

angſtvoll zittert, eine Eſſensſtunde zu verſäumen, während ihr Gatte bei tauſend Gelegenheiten ganz na< Belieben halbe Nächte und Tage außerhalb zubringt! Und wenn er endlich trunkenen Sinnes naht, ein Bild der Widerwärtig-= keit, wer iſ gezwungen, ſi<h dienſtwillig vom Lager zu erheben, die hilfreiche Hand darzubieten, alſo gewiſſermaßen dem Laſter thränenden Blickes zu ſ{<meicheln? Die Che-= frau! Und ihr Dank? Am frühen Morgen, wenn der Gemahl den Rauſch verträumt, muß ſie eine durhweinte Nacht von ſich abſchütteln, die Sklavin ſeines Hausſtandes muß ſeine Kinder warten, pflegen, ohne Rückſicht auf ihre eigenen tief verſtimmten Nerven, muß zuleßt no< ängſtlich ſorgen, alle üblen Folgen ſeiner Unmäßigkeit zu mildern und“ — hier erhob der Redner ſeine Stimme und ſ{<leu= derte einen heißen Zornesbli> über die verlegenen Mienen etlicher Sünder — „und gewärtig ſein, bei dem geringſten Klagelaut moraliſ<, wenn niht gar thätli<h mißhandelt zu werden. Uebertreibe ih? Sicher niht!“

Hier erhob ſich ein unheilvolles Nauſchen im weiblichen Auditorium, welches den drohenden Sturm daheim ver= kündigte, und doch hatten ſämmtliche verwelkten Jungfrauen ihren ledigen Stand nie mehr beklagt, als eben jeßt bei dieſer anſchaulichen Schilderung. Jene röthlich=blonde Emanzipixte mit den lebhaften Farben und genußheiſchenden Zügen lächelte eigen, während ihre und Fowder's Blicke ſich trafen, dann kreuzte ſie ihre vollen Arme bequem ber der Bruſt und begann Freiberg zu fixiren.

„Jhr gerechter Zorn,“ fuhx der Redner fort, „gibt mir den Muth, das Bild Jhres Elends zu vervollſtändigen,

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