Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

S0 Der Talisman des Weibes. -

„Warum we>ſt Du mich mitten in der Nacht?“ fragte Jrmengard erregt.

„Es iſt ja heller Tag draußen

„So ziehe die Vorhänge zurü>!“ befahl ſie heftig.

„Mein Gott, ſie hängen ja weit ofen! Die Sonne ſpielt auf Jhren Kiſſen, ſehen Sie es niht?“ rief Su= ſanne ſelbſt tödtlich erſhro>en, als ſie in ihrer Gebieterin [eichenblaſſes, nah der Richtung des Fenſters ſtarrendes Antliß ſah.

„Jh ſehe nichts als Nacht, Dunkel und Finſterniß!® ſtieß Jrmengard in gellenden Tönen hervor, die ſchaurig genug eine entſeßliche Wahrheit bekundeten. „Suſanne, wo biſt Du? Jt dies Dein Arm, Deine Hand? Barmherzige Gott, und ih kann beides nicht ſehen? — Schaffe mih aus der Welt!“ \<hrie ſie von ausbrechender Verzweiflung erfaßt. „Tödte mi<h, Suſanne — ih bin blind!“

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Seiner inneren Unruhe Herx zu werden, eilte Meiſchi>, nachdem ex Jrmengard verlaſſen, in das dichteſte Gewühl des Tanzſaales zurü>. Das Rauſchen der Muſik, das Wirbeln der fröhlichen Paare ſollten ihn wie aus einem ſchweren Traum erwe>en und das Gleichgewicht ſeiner Seele wieder herſtellen. Vergebens! Mitten in dem Jauchzen der Hörner, zwiſchen Scherz und Lachen hindurch glaubte er jenes zärtliche Flüſtern, mit welchem Frmengard ihm ihre geheimſten Empfindungen offenbarte, glaubte ex ihre Schmerzensrufe, ihren Fluch zu vernehmen.

„Vor Dix bin ih nict geflohen!“ Das Wort wollte

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