Bitef

Mit dem Stoff zu Die Rundköpfe und die Spitzköpfe beschäftigte sich Brecht über einen relativ langen Zeitraum; die Entwicklung im faschistischen Deutschland veranlagte ihn zur wiederholten Umarbeitung des Stückes. Aus den Jahren des skandinavischen Exils stammen folgende Äußerungen Brechts. Das Stück Die Rundköpfe und die Spitzköpfe ist eine neue dichterische Bearbeitung der alt-italienischen Fabel, die Shakespeare in seinem Stück Maß für Maß benutzte. Maß für Maß gilt für viele als das philosophischste aller Shakespeareschen Werke, es ist zweifellos sein fortschrittlichstes. Es verlangt von den Hochgestellten, daß sie nicht nach anderem Maße messen, als sie selbst gemessen sein wollen. Und es zeigt, daß sie nicht

von ihren Untertanen eine moralische Haltung verlangen dürfen, die sie selber nicht einnehmen. Das Stück Die Rundköpfe und die Spitzköpfe vertritt nach Möglichkeit für unsere Zeit den gleichen fortschrittlichen Standpunkt, den der große Dichter des Humanismus für die seine vertreten hat. D Bertolt Brecht, Skovsbostrand, 1934. das land jahoo, bewohnt von Pächtern und pachtherm, steht, infolge einer krise auf dem getreidemarkt, vor einem aufstand der pächter, die sich zu einem bund „die sichel“ zusamraengeschlossen haben, ein gewisser iberin schlägt dem vizekönig, der selber ein pachtherr ist, vor, die pächter in Verwirrung zu bringen durch eine neue einteilung der bevölkerung in rund- und spitzköpfe und die Verfolgung der spitzköpfe, die als feinde jahoos bezeichnet werden sollen, der vizekönig übergibt herrn iberin die macht. die parabel entwickelt sich nun folgendermaßen, der rundköpfige pächter callas erfährt, daß einem shauprozeß des iberin sein spitköpfiger pachtherr zum tod verurteilt wurde, weil dieser die rundköpfige tochter

daß er ihn bald wieder holen wird und zwar für einen großen krieg, den er gegen ein nachbarvolk mit viereckigen köpfen plant. □ Bertolt Brecht, Skovsbostrand, 1936.

seines pächters verführt hat. auf diese nachricht hin nimmt er sich zwei gäule seines pachtherm, die er zum ackern braucht, das gut des pachtherrn ist jedoch inzwischen von dem kloster san barabas pro forma übernommen worden und in einem prozeß, den das kloster anstrengt, und den herr iberin ebenfalls als shauprozeß führt, wird der pächter gezwungen, die gäule wieder zurückzuerstatten. dieses urteil wird herrn iberin ermöglicht dadurch daß die gesprengte sichel nunmehr geschlagen wurde, der pächter, um wenigstens pachterlaß zu erlangen, erklärt sich zu dem risiko bereit, für seinen pachtherm, zu dessen rettung schon schritte unternommen sind, zum galgen zu gehen. ebenso erklärt sich seine tochter bereit, für geld anstelle der Schwester des pachtherm sich einem hohen beamten des iberin hinzugeben, an der spitze der siegreichen truppen kehrt der vizekönig zurück, da die pächter sich weigern würden, pacht zu zahlen, wenn ein pachtherr gehängt würde, gibt der vizekönig‘den pachtherm frei, den desillusionierten pächter schickt er auf seinen acker zurück, stellt ihm aber in aussicht.

Betrogene Hoffnungen Auf unserer Reise durch Peru trafen wir, in einem- unbeschreiblichen Elend hausend, eine Pächterfamilie, und eine Unterhaltung mit dem Pächter ergab, daß diese Unglücklichen, nicht wie wir glaubten, durch ihre Verzweiflung sondern eher durch ihre Hoffnungen, an denen es ihnen weniger gemangelt hatte, als an allem anderen, auf diese unvorstellbare Stufe der Armut gesunken waren. Der Pächter erzählte uns, er habe gegen Ende des vorigen Jahres nach einer schlechten Ernte keine Möglichkeit mehr gesehen, nach Zahlung der Pacht, die unter allen Umständen zu hoch war, noch die

wenigen Wintervorräte für seine Familie und vor allem für seine Kühe zu kaufen. Außerstande sich anders zu helfen, einem hartherzigen Pachtherrn und einer interesselosen Regierung gegenüber, sei er schon im Begriff gewesen sich dem Bund der schwarzen Fahnen anzuschließen, der die unzufriedenen Pächter damals zum Aufstand sammelte. Diese Bewegung sei bei der Schwäche der Regierung und der Zerrüttung der Staatsfinanzen nicht ohne Aussicht gewesen. Die Übernahme der Regierung durch den Tschichenverfolger Thomaso Angelas, einem Schullehrer aus Lima, habe ihn wie die meisten tschuchischen Pächter davon abgehalten. Angelas habe sich den Namen eines Volksfreundes zu verschaffen gewußt, und wohl auch ursprünglich, selbst aus niederen Schichten stammend, volksfreundliche Absichten gehegt. Tatsächlich sei es auch zu einem förmlichen Prozeß gegen den Pachtherrn, einen Tschichen, gekommen, in dem der Pachtherr sogar zum Tode verurteilt wurde allerdings nicht wegen Pachtwucher, sondern wegen der Verführung der Tochter des Pächters. Diese

Verführung hatte seinerzeit den Pächtersleuten gewisse Erleichterungen verschafft und das Mädchen in ein öffentliches Haus Limas gebracht. In dieser Begründung des anscheinend so günstigen Urteils hätten von Anfang an alle Keime des weiteren Unglücks des Pächters gelegen. □ Bertolt Brecht, Skovsbostrand, 1934.

Probenbeginn am 12. 4. 1982 Es gibt in unserem Ensemble kaum Erfahrungen mit Brecht-Stücken; die letzte Inszenierung eines seiner Stücke am Deutschen Theater liegt 30 Jahre zurück. Wir sind neugierig auf Brecht und auf die Konfrontation seiner Dramaturgie mit einer Spielweise, die Lang und die Schauspieler in den letzten Jahren gemeinsamer Arbeit entwickelt haben. Langs Vorschlag: Keine Kon-

zeptionsbesprechung vor Beginn der Proben; es wurde eine Spielfassung des Stückes entwickelt, diesem Text wollen wir uns erst einmal stellen. Nach einer Probenphase, die erste verallgemeinerbare Erfahrungen sichtbar macht, werden wir uns in einer Zwischenauswertung unserer Arbeit verständigen. Die Probenarbeit vollzieht sich bei Lang als wirkliches Ausprobieren von/Spielen mit immer wieder neuen Varianten - Möglichkeiten für einen Vorgang, eine Figur. Eine vorgegebene szenische Grundsituation wird ständig neu gedanklich und spielerisch ins Extrem getrieben. Es geht zunächst nicht darum, eine optimale, vorführbare Variante zu finden, sondern einen Vorgang so tief wie möglich auszuloten. Im Mittelpunkt steht der Komödiant, mit seinen ganz spezifischen Ausdrucksmitteln - einer Sprache für die Sinne. Die spielerische Phantasie expandiert in einem Maße, daß traditionelles theatralisches Denken (So etwas kann man doch nicht machen!) abgebaut wird. In dem Spannungsverhältnis von Möglichem und Unmöglichem, auf dem schmalen Grat zwischen gerade

noch Denkbarem und dem Unvollstellbaren entstehen jene überraschenden Lösungen, die das Spezifische der Probenarbeit ausmachen. Die Methode des Umwegs schafft eine Atmosphäre entspannter Kreativität; sie bietet Schauspielern und Regisseur die Chance, eine Vielzahl von Erfahrungen mit dem Text, der Sprache, den Figuren machen zu können, neue schauspielerische Mittel zu finden, eine Spielweise zu entwickeln, die das Anliegen der Inszenierung übersetzt und vermittelt. Eines der bestimmenden Momente der Arbeit ist die Auseinandersetzung mit dem Bühnenraum, die Orientierung und Findung der Figuren in ihm. Die Bewegungen, die Formung der Figuren werden im einmal gesetzten Raum genau verfolgt. Ausgangspunkt ist das Bühnenbild. Es soll nicht illustrieren, keine Geschichte an sich erzählen; es soll ein artifizieller Raum sein, eine in räumliche Struktur umgesetzte Grundidee für das Stück. Der Raum, den wir suchten, sollte so beschaffen sein, daß er Spieler und Zuschauer nicht in die historische Zeit des Stückes zwingt, er sollte etwas Fremdartiges haben, gleichzeitig aber konkrete so-

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