Bitef
seinem Merlin fürs Theater .schuf. Als Epoche wahrer Demokratie, in der besonders auch die weisen Frauen ihren Platz hatten, betrachtet die Performerin Meredith Monk jene Zeit und widmet ihr nun ihren neuesten Film The Book of Days. Jan Fahre, Regisseur und Choreograph aus Belgien, Erfinder mystisch-erhabener Theaterbilder, ließ im getanzten Teil seiner immer noch unvollendeten Oper Das Glas im Kopf wird vom Glas minnigliche Ritter, ein schönes Burgfräulein auf einem Podest sowie einen Bariton samt lebendiger Eule auftreten. Die kollektive Erinnerung machen sich Künstler zunutze, um Bilder aus dem Mittelalter wiederzubeleben und mit ihnen eine christliche Bildermystik. Vor einem Monat drapierte Robert Wilson Le Martyre de St. Sébastien mit Sylvie Guillem, jede Interpretation von sich weisend, zur hochglänzenden Ikone. Wenn die Choreographin und Tänzerin Carolyn Carlson, die sich Wilson übrigens geistig verwandt fühlt, nun versucht die christliche Offenbarung und die Weissagungen des Zauberers Merlin zu einem apokalyptischen Bildergedicht zu verweben, so steht schwülstig-dekorativer Edelkitsch gottlob nicht zu befürchten. Denn Carlsons Neigung zu symbolträchtigen Bildern ihre Sehnsucht nach Poesie, trägt in sich Korrektive, deren sie sich durchaus bewußt ist: das Licht ihrer Heimat Kalifornien und ihre Erfahrung in der Kompanie von Alwin Nikolais, der Zeit ohne Ego, als sie noch in einem elastischen Sack tanzte. Insofern ist Carolyn Carlšon kreative Tochter geblieben, welche die Ideen des künstlerischen Vaters zwar in sich aufgenommen hat und verwertet, ihnen jedoch ihre eigenen, andersartigen entgegensetzt. So schafft sie mit ihrem jüngsten abendfüllenden Stück Dark, in dem sie Licht, Tanz und Ausstattung komponiert, eine apokalyptische Vision, die sich einer nacherzählbaren Wirklichkeit absichtlich entrückt, aber dennoch auf unserer heutigen Realität fußt. Alle Ingredienzen dieses pausenlosen, hundert Minuten währenden Stükes operieren mit einem ästhetisierten Symbolismus, dessen agierende Gegenpole ein männlicher Racheengel in mittelalterlichem Kleid, ein Zauberer in smaragdgrünem Mantel (ihn tanzt Carolyn Carlson selbst) sowie sein gleichgekleidetes männliches Alter ego, ein Mann in schwarzer Priesterkutte, ein anderer im Straßenanzug, ein junges Mädchen im Witwenschleier und drei schalmeienblasende Mädchen-Engel in rostroten Kleidern sind. Sie alle treffen aufeinander auf braunschründiger Grassteppe, deren schwarzausgeschlagener Hinter-