Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Gorilla: Falkenſteins Beobachtungen. alt

„Mit ähnlicher Beharrlichkeit verfolgte er ſein Ziel, wenn ev Appetit nah Zu>er oder Früchten, die in einem Schranke des Eßraumes aufbewahrt wurden, erwachen fühlte. Dann verließ er plößlih ſein Spiel, ſ{hlug eine ſeiner Abſicht entgegengeſeßte Richtung ein, die er erſt änderte, wenn er außer Sehweite gekommen zu ſein glaubte. Dann aber eilte er direkt in das Zimmer und zu dem Schranke, öffnete ihn und that einen behenden, ſicheren Griff in die Zu>kerbüchſe oder die Fruchtſchüſſel (zuweilen zog er ſogar die Schrankthüre wieder hinter ſi zu), um dann behaglich das Erbeutete zu verzehren oder ſchleunig damit zu entfliehen, wenn er entde>t war. Fn ſeinem ganzen Weſen aber verriet er dabei deutlich das Bewußtſein, auf unerlaubten Pfaden zu wandeln.

„Ein eigentümliches, faſt kindiſh zu nennendes Vergnügen gewährte es ihm, durch Klopfen an hohle Gegenſtände Töne hervorzurufen, und ſelten ließ ex eine Gelegenheit vorübergehen, ohne beim Paſſieren von Tonnen, Schüſſeln oder Blechen dagegen zu trommeln; au trieb er dieſes übermütige Spiel ſehr häufig während unſerer Heimreiſe auf dem Damvfer, wo er ſi ebenfalls frei bewegen durfte. Unbekannte Geräuſche waren ihm aber in hohem Grade zuwider. So ängſtigte ihn der Donner oder auf das Blätterdach praſſelnder Regen, mehr aber noh der langgezogene Ton einer Trompete oder Pfeife ſo ſehr, daß ſtets ſympathiſch eine beſchleunigte Verdauung angeregt wurde, die es geraten erſcheinen ließ, ihn in möglichſter Entfernung von ſich zu halten. Bei ihn befallenden leihten Fndispoſitionen wendeten wir eine derartige Muſik mit einem Erfolge an, wie ex in anderen Fällen dur< Purgiermittel nicht beſſer erzielt wird.

„Unter fortgeſeßter Pflege gedieh unſer Shüßling zuſehends, bis zu Anfang Februar 1876; zu dieſer Zeit aber befiel ihn eine ſhwere, mit Konvulſionen verbundene Krankheit, die nur als eine eigentümliche, heftige Malaria-Jnfektion gedeutet werden konnte. VierWochen lang fürchteten wir täglich, ihn zu verlieren, bis ſeine außerordentlich kräftige Konſtitution und vielleicht der konſequente Gebrauch von Chinin und Kalomel endlich den Sieg davontrug und ihn allmählih der Geneſung entgegenführte. Die Freude darüber war eine all: ſeitige und konnte ſelbſt niht getrübt werden, als ein Gerücht von dem Dresdener Pſeudogorilla bis an unſere Küſte hinüber hallte, der uns um die Genugthuung, das erſte lebenskräftige Jndividuum nah Europa geführt zu haben, zu bringen drohte. Glücklicherweiſe wurde aus dem Streite der Gelehrten und einer einlaufenden Abbildung ſehr bald klar, daß man ſi< in Europa teilweiſe in einem gewaltigen Frrtume befand, der eben nur durch unſer glüc{lih erhaltenes Exemplar aufgeklärt werden konnte und auch wirklih aufgeklärt worden iſt, eine Mühe, der ſih der bekannte Anatom R. Hartmann mit großer Hingebung unterzogen hat.

„Die unendliche Mühe, die Mpungu allen Expeditionsmitgliedern gemacht hatte, wurde reichli<h dur< die Aufmerkſamkeit, die ihm während ſeines ziemli<h anderthalbjährigen Aufenthaltes in Berlin von allen Seiten gezollt wurde, aufgewogen; und wenn ihn auh ſ<ließlih die allen anthropoiden Affen Verderben drohende Lungenkrankheit gleichfalls hinwegraffte, ſo war dann ein Verluſt für die Wiſſenſchaft wenigſtens niht mehr zu betlagen. Was an ihm zu beobachten wax, hatte reihlih beobachtet werden können, und ſein Körper gab außerdem no< Gelegenheit, alle Organe bis in die feinſten Details zu ſtudieren.

„Intereſſant iſt es no<, das Wachstum Mpungus von dem Moment ſeines Erwerbes, dem 2. Oktober 1875, bis zu ſeinem Tode am 13. November 1877 zu verfolgen. Die erſte Meſſung ergab: ganze Länge von der Fußſohle bis zum Scheitel in geſtre>ter Lage 73 cm; Rumpflänge allein 46 cm; aufre<hte Höhe beim natürlichen Stehen 65 cm, Schulterbreite 25 cm. Das Gewicht betrug 14 kg. Bei der lezten Meſſung war die ganze Länge 86 5 em, Rumpflänge 56/2 cm; aufre<hte Höhe 76 em, Schulterbreite 29 cm. Das Gewicht betrug 21 kg. Ex hat alſo in dem Zeitraume von 2 Fahren um eiu Sechſtel ſeiner