Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
XT, Alfred Edmund Brehm.
der Gegend angemeſſene Lebensweiſe nachahmen. Sie hatten ſich ſelbſt über die verrufenen Oſtjaken und Samojeden in keiner Weiſe zu beklagen, und Finſch hat ihnen in ſeiner Neiſebeſ<hreibung ein Charakterzeugnis ausgeſtellt, um das ſie, namentli<h was ihre Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit anbetrifft, manches ziviliſierte Volk beneiden könnte. „Auch gingen die Prophezeiungen eines amojediſchen Schamanen, der ihnen mit Hilfe der Zaubertrommel wahrſagte, daß ſie glü>lih nah Hauſe kommen und Orden nebſt anderen Auszeihnungen davontragen würden, zum Teil, wie wir ſehen werden, beſtens in Erfüllung, und wenn der zweite Teil der Prophezeiung, daß ſie ſhon im nächſten Jahre nach dem geſegneten Lande wiederfommen würden, niht in Erfüllung gegangen iſt, ſo ſind daran offenbar einzig und allein die Reiſenden, niht aber der Prophet \huld geweſen.
Für den Verfaſſer des „Tierlebens“ war der Ausflug inſofern nicht unergiebig, als er dazu gelangte, zahlreiche Gebirgs- und Steppentiere zu beobachten und zu erlegen. Dieſe Steppenjagden und deren großartige Zurüſtung hatten die Reiſenden beſonders der Fürſorge des Gouverneurs General von Poltoraßky und deſſen Gemahlin, die daran teil: nahm, zu danken. Um den letzteren zu ehren, erſchienen kirgiſiſche und andere Steppengrößen aus weitem Umkreiſe, und es entfaltete ſi dann ein reiches Bild des fremdartigen Nomadenlebens mit feſtlichem Gepränge im Zelte des Gouverneurs, das von einer Zeltſtadt umgeben erſchien. Brehm, der das Glü gehabt hatte, das einzige Argaliſchaf zu erlegen, wurde dafür von dem kirgiſiſhen Jmproviſator am Abend als der europäiſche Nimrod im Liede gefeiert. Überhaupt zeigte ſih, daß das „Tierleben“ den Namen ſeines Verfaſſers ſhon damals bis zu den Grenzen Sibiriens und Chinas getragen hatte, und ſein dur lange Erfahrung erworbenes Geſchi> im Verkehre mit fremden Völkern bewährte ſi< auch hier wieder auf das glänzendſte. Hatte er doh ſogar den tatariſhen Molla in Kaſan zur Bewunderung gezwungen, als ex ihm bewies, daß er den Koran in ſeiner arabiſchen Urſprache beſſer verſtehe als er, der mohammedaniſche Prieſter. Nach etwa ñeunmonatlicher Abweſenheit trafen Brehm und Finſ<h wieder in der Heimat ein, während Graf Waldburg- Zeil einſtweilen noh in Rußland zurü>blieb.
Fn ſeinen ſpäteren Vorträgen, die zum Teil nah ſeinem Tode in der „Gartenlaube“ zum Abdru> gekommen ſind, hat Brehm mit Vorliebe Einzelheiten dieſer Reiſe geſchildert; ſein ſehr ſorgfältig geführtes Tagebuch gedenkt ſein Sohn Dr. Horſt Brehm demnächſt zu veröffentlihen. Bald nach der Ende 1876 erfolgten Rückkehr aus Sibirien begannen Brehms Beziehungen zu dem vielbeflagten Kronprinzen Rudolf von Öſterreich, der, ſelbſt ein eifriger Weidmann und Forſcher auf dem Gebiete der Vogelkunde, ſeine Verdienſte vollauf zu ſhäßen wußte, ihm die aufrichtigſte Zuneignng entgegenbrahte und ihn bald dur ſeine perſönliche Freundſchaſt auszeihnete. Der nähere Verkehr begann 1877, und ſchon im nächſten Fahre begleitete Brehm den Kronprinzen auf einer Reiſe nah Ungarn, 1879 na< Spanien, Reiſen, die man mehr als wiſſenſchaftliche denn als bloße Vergnügungsreiſen bezeihnen darf, denn ſie galten zu einem guten Teile der von Brehm früh in Angriſf genommenen „Adlerfrage“, für die ſh Kronp rinz Rudolf, der ein eifriger Mütarbeiter ornithologiſcher Zeitſchriften war, lebhaft intereſſierte. Auch der kürzlich verſtorbene Ornitholog Eugen von Homeyer wurde zu dieſen Unterſuchungen eingeladen, und der