Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
8 Ein Blik auf das Leben der Geſamtheit.
übrigens ſelten vorkommen. Und was iſt ſie gegen die des Vogelfluges? Schon die langſame Krähe würde mit dem Rennpferde wetteifern können; die Brieftaube überholt es bald denn ſie durhmißt in derſelben Zeit bei kürzeren Flügen einen um die Hälfte größeren Naum. Alte Tauben der Hamburger Brieftaubengeſellſchaft „Courier“ haben die Entfernung von Paris bis Hamburg in 131/2 Stunden zurückgelegt in 1 Sekunde 15,4 m; die von Frankfurt a. D. bis Hamburg in 4!/4 Stunden, in 1 Sekunde 22,13 m; die von Lemförde bis Hamburg in 2 Stunden 38 Minuten 40 Sekunden, in 1 Sekunde 226 m. Und wenn nun erſt ein Edelfalke zu ernſter Jagd oder ein Segler: zum Liebesreigen ſeine kraftgeſtählten, unermüdlichen Schwingen in Bewegung ſett: wo bleibt da die Schnelle des edlen Roſſes? und die der Lokomotiven, deren höchſte zuläſſige Schnelligkeit an 30 m in 1 Sekunde beträgt, während in Wirklichkeit einige der ſchnellſten Jagdzüge auf freier Stre>e nur 23 bis etwa 29 m in 1 Sekunde durcheilen?
Das Springen geſchieht ſehr verſchiedenartig. Alle Säugetiere, welche ſpringend laufen, wie die vorhin genannten, ſchnellen ſi< dur plößliches Ausſtre>en ihrer zuſammengebogenen Hinterbeine vorwärts und machen Säge anſtatt der Schritte. Diejenigen, welche nur dann ſpringen, wenn ſie angreifen oder ein Hindernis überſetzen wollen, {nellen ſich immer durch die Kraftanſtrengung aller vier Beine empor, wenn auch die Hinterbeine das Hauptſächlichſte dabei leiſten müſſen. Der Schwanz beſtimmt oder regelt die Richtung des Sprunges: und deshalb iſt auch bei faſt allen Springern dieſes notwendige Steuer beſonders entwid>elt, bei dem Affen ebenſowohl wie bei der Springmaus, bei der Kate wie bei dem Känguruh. Ausnahmsweiſe, z. B. bei den Langarmaffen, verrichten die Hinterbeine anſtatt des Schwanzes den Dienſt des Steuerns, wie ja auch alle furzſ<wänzigen Vögel (Alken, Steißfüße, Seetaucher u. a.) bloß mit den Füßen ſteuern. Die Kraft des Sprunges iſt ſehr bedeutend. Ein Affe kann einen in wagerehter Richtung 5 m von ihm entfernten Zweig ſpringend erreichen; einige Arten ſollen no< mehr leiſten können. Ein Eichhorn ſpringt ungefährdet aus einer Höhe von 20 und mehr Meter zur Tieſe nieder; ein Rothirſch ſeßt über eine Wand von 25, ein Löwe vielleiht über eine ſolche von 3 m Höhe, eine Gemſe über eine Kluft von gleicher Weite; ein Springbo> ſchnellt ſich vielleicht bis 2 m ſenkre<t empor. Der hüpfende Gang der Springbeuteltiere fördert faſt ebenſo ſhnell wie der Lauf des Hundes; eine Springmaus wird niemals von einem laufenden Menſchen eingeholt. Fm Springen ſind die Säugetiere Meiſter unter den Wirbeltieren; ſelbſt der behende, ſtarke Las, welcher doh oft unter den ſcheinbar ungünſtigſten Umſtänden bedeutend hohe Sprünge macht, kann mit ihnen nicht wetteifern.
Sehr merkwürdig und verſchieden iſt die Kletterbewegung der Säugetiere. Wir finden unter denjenigen, deren ganzes Leben auf dem Baume verfließt, ausgezeihnete Klettever, Seil- oder Zweigkünſtler und Gaukler. Nicht nur alle vier Beine, Hände oder Pfoten, ſondern au< der Shwanz werden in Thätigkeit geſeßt; der leßtere übernimmt ſogar eine eigentümliche Rolle, deren Wiederholung wir nur bei einigen Kriechtieren und Fiſchen bemerfen: er dient als Werkzeug zum Anheſten und Aufhängen des Leibes. Alle Affen der Alten Welt klettern, indem ſie das Geſtein oder die Äſte und Zweige mit ihren vier Händen pa>en und ſi< dur< Anziehen der Vorderarme und Stre>en der hinteren Glieder fortſchieben. Daß bei ſolhen Künſtlern au<h das Umgekehrte ſtattfinden kann, verſteht ſich von ſelbſt. Ganz anders klettern viele Affen Amerikas. Sie ſind geiſtig wie leiblih träger, alſo vorſichtiger und langſamer als ihre übermütigen Verwandten in der Alten Welt, au< ihre Bewegungen müſſen daher andere ſein. Allerdings werden die Hände noh benutt; der Schwanz aber iſt es, welcher zum Feſthalten dient. Seine ſtarken Muskeln rollen deſſen Ende ſo feſt um einen Aſt oder Zweig, daß der ganze Leib hierdurch allein ſhon einen Henkel erhält, mit welchem er ſih ſo ſicher befeſtigen kann, daß die Benußzung aller vier