Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
634 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.
lebendiger Vogel oder Lurch gereiht wird; es reizt ihn aber dann nur das Bewegen ſolcher Beute, und er beeilt ſih gleihſam, ſeine Fertigkeit im Fangen und Abwürgen zu zeigen. Hat er aber dagegen ſeine Dpfer getötet, und reiht man ihm dann einen Fiſch, ſo pflegt er leßteren zuerſt zu ſih zu nehmen oder höchſtens einen Froſch ihm vorzuziehen. Daß Gewöhnung bei der Auswahl der Speiſen niht ohne Einfluß iſ, beweiſen Shmidts Beobahtungen an einem von ihm gepflegten Nerze, welcher Krebſe ohne weiteres pate und ſich auch durc ihre Abwehr nicht beirren ließ, während mein Gefangener bis jetzt alle Krebſe hartnä>ig verſ<mäht hat. Auch Eier habe ih leßterem wiederholt vorgeſeßt, ohne daß er ſih um ſie bekümmert hat; dem ungeachtet glaube ih gern, daß er während ſeines Freilebens ſo gut wie andere Marder ein Vogelneſt ausnehmen und ſeines Jnhaltes berauben wird; jedenfalls möchte ih niht wagen, von dem einen auf das Betragen aller und am wenigſten auf das Benehmen der freilebenden Nerze zu ſ{<ließen. Beſonders auffallend iſt es mir, daß mein Gefangener ſi< eher vor dem Waſſer zu ſcheuen als ſi na< ihm zu ſehnen ſcheint. Ein Fiſchotter verſucht ſelbſt in dem kleinſten Raume das befreundete Element in irgend welcher Weiſe für ſih auszunugßen: der Nerz denkt niht daran, und das Waſſer dient ihm eigentli<h nur zum Trinken, niht aber zum Baden oder gar zum Tummelplaze.
Zm Verhältnis zu der Anzahl von Minkfellen, welche unter dem Namen amerikaniſche Nerze auf den Markt kommen, iſt die Anzahl der eten Nerzfelle ſehr gering: nah Lomer erbeutete man vor 2 Jahrzehnten 55,000 Nerze, aber 160,000 Minke jährlich; jeßt iſt die Ausbeute an Minkfellen auf weit mehr als das Doppelte geſtiegen (1888: 370/000). Leßtere wurden damals mit 9 —30 Mark bezahlt, während ruſſiſche durhſc<hnittli<h nur 36 Mark wert waren; gegenwärtig gelten jene bloß noh 4—10, dieſe 1,5—4 Mark. Die Preiſe wechſeln man<mal ſehr ſ{nell. Der Unterſchied zwiſchen beiden Fellen iſ bedeutend: die Minke haben feineres und darum haltbareres Haar. Die beſten Minkfelle liefert die Oſtküſte Nordamerikas, Neuengland und Maine.
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Der Vielfraß, eine der plumpeſten Geſtalten der Marderfamilie, vertritt eine beſondere Gattung (Gulo), deren Kennzeichen folgende ſind: Der Leib iſt kräftig und gedrungen, der Schwanz kurz und ſehr buſchig, der Hals di> und kurz, der Nü>en gewölbt, der Kopf groß, die Schnauze länglich, ziemlih ſtumpf abgeſchnitten, die Beine ſind kurz und ſtark, die plumpen Pfoten fünfzehig und mit ſcharf gekrümmten und zuſammengedrüten Krallen bewehrt. Der Schädel ähnelt dem des Dachſes, iſt aber doh etwas breiter, gedrungener und ſehr gebogen, ſo daß die Stirn und der Naſenrücken ſtar? hervortreten; das aus 38 Zähnen beſtehende Gebiß ſehr kräftig, der Reißzahn oben und unten ſtark entwielt, der Höterzahn im Oberkiefer quer geſtellt und doppelt ſo breit als lang, während der untere Höcerzahn größere Länge als Breite hat. Die Anzahl der rippentragenden Wirbel beträgt 15 oder 16; 4 oder 5 ſind rippenlos, 4 bilden das Kreuzbein und 14 den Schwanz.
Der Vielſraß (Gulo borealis, Ursus, Mustela und Taxus gulo, Ursus sibiricus, Gulo vulgaris, arcticus, luscus, yolyerene und Ileucurus) ift 95 cm bis 1 m lang, wovon 12—15 em auf den Shwanz kommen, und am Widerriſte 40—45 cm hoh. Auf der Schnauze ſind die Haare kurz und dünn, an den Füßen ſtark und glänzend, am Rumpfe lang und zottig, um die Schenkel, an den hellen Seitenbinden und am Schwanze endlich ſtraff und ſehr lang. Scheitel und Rücen ſind braunſhwarz mit grauen Haaren gemiſcht, der Nücken, die Unterſeite und die Beine dunkelſhwarz; ein hellgrauer Fle>en ſteht zwiſchen Augen und Ohren, und eine hellgraue Binde verläuft von jeder Schulter an längs der Seiten hin. Das Wollhaar iſt grau, an der Unterſeite mehr braun.