Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

684 Vierte Oronung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.

„Die Bewegungen des Seeotters ſind außerordentlich anmutig und ſ{hnell. Sie {hwimmen vortrefflich und laufen ſehr raſh, und man kann nichts Schöneres ſehen als dieſes wie in Seide gehüllte und ſ{<warzglänzende Tier, wenn es läuft. Dabei iſt es merkwürdig, daß die Tiere um ſo munterer, ſhlauer und hurtiger ſind, je ſchöner ihr Pelz iſt. Die ganz weißen, höhſt wahrſcheinlih uralte, ſind außerordentlih ſ{<lau und laſſen ſich kaum fangen. Die ſchlechteſten, welche nur braune Wolle haben, ſind meiſt träge, ſchläfrig und dumm, liegen immer auf dem Eiſe oder Felſen, gehen langſam und laſſen ſi leiht fangen, als ob ſie wüßten, daß man ihnen weniger nachſtellt. Beim Schlafen auf dem Lande liegen ſie krumm wie die Hunde. Kommen ſie aus dem Meere, ſo ſchütteln ſie ſich ab und pußen ſich mit den Vorderfüßen wie die Kaßen. Sie laufen ſehr geſ<hwind, jedo<h mit vielen Umſchweifen. Wird ihnen der Weg zum Meere verſperrt ſo bleiben ſie ſtehen, machen einen Kaßenbu>el, ziſchen und drohen, auf den Feind zu gehen. Man braucht ihnen aber nur einen Schlag auf den Kopf zu geben, ſo fallen ſie wie tot hin und bede>en die Augen mit den Pfoten. Auf den Rücken laſſen ſie ſi< geduldig ſhlagen; ſobald man aber den Schwanz trifft, ſo kehren ſie um und halten, lächerlich genug, dem Verfolger die Stirn vor; manchmal ſtellen ſie ſi< auf den erſten Schlag tot und — laufen davon, ſobald man ſi mit anderen beſchäftigt. Wir trieben ſie ziemlich in die Enge und hoben die Keule in die Höhe, ohne zu ſchlagen; da legten ſie ſi< nieder, ſhmeichelten, ſahen ſi< um und krochen ſehr langſam und demütig wie Hunde zwiſchen uns dur<h. Sobald ſie ſi< aber außer aller Gefahr ſahen, eilten ſie mit großen Sprüngen na<h dem Meere.

„„Zm Juli oder Auguſt hären ſi die Seeotter, jedo<h nur wenig, und werden dann etwas brauner. Die beſten Felle ſind die aus den Monaten März, April und Mai; ſie gehen meiſt nah China. Fn Kamtſchatka gibt es keinen größeren Staat als ein Kleid, zuſammengenäht aus weißem Pelze der Renntierfelle und mit Otterpelz verbrämt. Vor einigen Zahren trug no alles Meerotterkleider; es hat aber aufgehört, ſeitdem ſie ſo teuer geworden; auch hält man jeßt in Kamtſchatka die Hundefelle für ſhöner, wärmer und dauerhafter.

„Der Seeotter, welcher wegen der Beſchaffenheit ſeines Felles mit Unrecht für einen BViber angeſehen und daher Kamtſchatka-Biber genannt worden, iſt ein echter Otter und unterſcheidet ſih von dem Flußotter allein darin, daß er ſih in der See aufhält, faſt um die Hälfte größer iſt und an Schönheit der Haare einem Biber ähnelt. Er iſt unſtreitig ein amerikaniſches Seetier und an den Küſten von Aſien bloß ein Gaſt und Ankömmling, welher ſih in dem ſogenannten Bibermeer unter dem 56.—50. Breitengrad aufhält. Vom 56.— 50. Grad haben wir die Seeotter auf den Jnſeln am Feſtlande von Amerika und unter 60 Grad nahe am Feſtlande angetroffen. Die meiſten Dtter werden mit dem Treibeiſe von einer Küſte des Feſtlandes zur anderen geführt; denn ih habe mit meinen eigenen Augen geſehen, wie gern dieſe Tiere auf dem Eiſe liegen, und obgleih wegen gelinden Winters die Eisſchollen nur dünn und ſparſam waren, wurden ſie durch die Flut auf die Jnſel und mit abnehmendem Waſſer wieder in die See geführt, im Schlafen ſowohl als im Wachen.

„Als wir auf der Beringinſel anlangten (1741), waren die Seeotter häufig vorhanden. Sie gehen zu allen Fahreszeiten, doh im Winter mehr als im Sommer, aufs Land, um zu ſchlafen und auszuruhen, auh um allerlei Spiele miteinander zu treiben. Zur Zeit der Ebbe liegen ſie auf den Klippen und auf den abgetro>neten Blö>en, bei vollem Waſſer auf dem Lande im Graſe oder Schnee bis auf eine halbe, ja eine Werſt vom Ufer ab, gewöhnlich jedo<h nahe an demſelben. Auf Kamtſchatka oder den Kuriliſhen Fnſeln kommen ſie ſelten ans Land, ſo daß man hieraus ſieht, ſie ſeien auf unſerer Jnſel niemals in ihrer Ruhe und ihren Spielen geſtört worden.

„Wir jagten ſie auf folgende Art: Gewöhnlich des Abends oder in der Nacht gingen wir in Geſellſchaft von zwei, drei oder vier, mit langen, ſtarken Stö>en von Birkenholz verſehen,