Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2
644 Achte Ordnung: Zahnarme; erſte Familie: Faultiere.
Mit dieſen beiden Angaben haben wir die allgemeine Kennzeichnung erſchöpft; denn der übrige Leibesbau zeigt bei den Zahnarmen die größte Mannigfaltigkeit und Verſchiedenheit. Kopf und Schwanz, die Gliedmaßen und der Leib ſpielen zwiſchen den beiden äußerſten Grenzen. Bei den einen iſt der Kopf verkürzt, bei den anderen verlängert, bei dieſen jo hoh wie lang, bei jenen walzenförmig, bei manchen der Schwanz ſtummelartig, bei anderen ſo entwid>elt, daß er die meiſten Wirbel in der ganzen Klaſſe (nämlih 46) zählt. Nicht minder verſchieden iſt das Gerippe. Den Kinnladen fehlt der Zwiſchenkiefer vollſtändig, oder ſie bilden ſi< zu einem Schnabel um. Die Halswirbel vermindern ſi< bis auf 6 und ſteigen bis auf 9 oder 10; die Kreuzwirbel verwachſen niht nur mit den Darm-, ſondern au mit den Sißbeinen. Am vorderen Eingange des Bruſtkaſtens finden ſi< falſe Rippen, wie überhaupt die Anzahl der rippentragenden Wirbel auffallend groß erſcheint. Das Shhlüſſelbein iſt doppelt. Einzelne Leiſten und Fortſeßungen an den Gliedmaßenknochen entwi>eln ſih in außergewöhnliher Weiſe, die Zehenglieder verringern ſih 2c. Das ganze Gerippe deutet durch ſeine kräftigen, plumpen Teile auf langſame, unbeholfene Bewegungen. Die Bekleidung des Leibes ſpielt in den äußerſten Grenzen der Verſchiedenheit, welche die Säugetierbekleidung überhaupt aufweiſen kann. Die einen tragen einen dichten, weihen Pelz, die anderen ein ſtruppiges, tro>enes Haarkleid, dieſe ſind mit Borſten, jene mit Shuppen bede>t, und einige endlih hüllen ſi< in große und feſte Panzerſchilder, wie ſie fonſt bei den Säugetieren niht wieder vorkommen. Auch die Verdauungswerklzeuge, das Gefäßſyſtem und die Fortpflanzungswerkzeuge zeigen manche Eigentümlichkeiten.
Die Angehörigen der Familie ſind heute auf das Orientaliſche, Äthiopiſche und Südamerikaniſche Reith beſhränkt; die meiſten Zahnarmen beſit Südamerika. Aſien beherbergt nur Schuppentiere, Afrika außer dieſen noh Erdferkel. Südamerika zeigt größere Mannigfaltigkeit; hier finden ſi die Faultiere, Ameiſenbären und Gürteltiere. Die jeßt lebenden wie die ausgeſtorbenen Zahnarmen unterſcheiden ſi, entſprechend ihrem verſchiedenen Leibesbau, auch in der Lebensweiſe ſchr weſentlih. Einige leben nur auf Bäumen, die Mehrzahl dagegen auf dem Boden, in unterirdiſhen Bauen ſi< bergend und nachts ihrer Nahrung nachgehend; jene ſind Kletterer, dieſe Gräber, jene größtenteils Blatt- und Fruchtfreſſer, dieſe hauptſächlih Kerbtierjäger im eigentlihen Sinne des Wortes. Stumpfgeiſtig ſcheinen alle zu ſein und auch in dieſer Beziehung die niedere Stellung zu verdienen, welhe man ihnen zuerkannt hat. Alles übrige mag aus dem nachfolgenden hervorgehen; eine allgemeine Lebens\childerung erſcheint unthunlich.
Nach Flower verteilen wir die Zahnarmen auf die genannten fünf Familien, von denen die erſteren größere Verwandtſchaft unter ſih als mit den leßteren und als dieſe untereinander haben. Sämtliche Zahnarme Amerikas beſißen nämlich außer den allen Säugetieren gemeinſamen wahren Seitenfortſäßen der Wirbel noch an den hinteren Rücenund den Lendenwirbeln mehr oder weniger entwielte Gelenkflächen, die allen anderen Säugetieren und auch den altweltlihen Zahnarmen fehlen und eigentümliche Verbindungen zwiſchen dieſen Wirbeln vermitteln.
Obenan ſtellen wir die Familie der Faultiere (Bradypodidae), die freilih als ſehr niedrigſtehende, ſtumpfe und träge, einen wahrhaft kläglichen Eindru> machende Geſchöpfe bezeichnet werden müſſen. Die vorderen Gliedmaßen ſind bei ihnen bedeutend länger als die hinteren, die Füße mit gewaltigen Sichelkrallen bewehrt; der Hals iſt verhältnismäßig lang und trägt einen runden, kurzen, affenähnlihen Kopf mit kleinem Munde, wel: cher von mehr oder minder harten, wenig beweglichen Lippen umſchloſſen iſt, und kleinen