Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3
18 Neunte Dronung: Rüſſeltiere.
beim Flüchten und Durcheinanderſtürmen großer Herden beſchädigt wurden, obwohl ih dieſe Vorgänge oftmals beobachtete.“
Von einer Gegend zur anderen ziehen die Elefanten gewöhnlih im Gänſemarſche; wo ſte verweilen, zerſtreuen ſie ſih, um Futter zu ſuchen. Von 10 oder 11 bis 3 Uhr am Tage wie des Nachts pflegen ſie zu raſten und zu ſchlafen, wobei viele ſih auc niederlegen. Bei tkühlerem, regneriſhem Wetter bleiben ſie au<h wohl während des ganzen Tages in Bewegung, verlaſſen überhaupt gern die triefenden Wälder und Dikichte und ziehen ſich in die offene Landſchaft. Kommt ein Kalb zur Welt, ſo verweilt, wenigſtens in Jndien, die Herde 2 Tage lang bei der Mutter; nah dieſer Zeit vermag der Sprößling mit den übrigen zu wandern und mit Hilfe der Mutter ſelbſt ſ{<wieriges Hügelland und breite Gewäſſer zu durchkreuzen. Gewiſſe Tiere einer Herde ſcheinen einander beſonders zugethan zu ſein, werden wenigſtens faſt in allen Lagen beiſammen gefunden; au< unter den gezähmten Elefanten ſind derartige Freundſchaften ganz gewöhnli<h. Wenn nun auh ſtets ein Weibchen der Herde als Leit- oder Kopftier vorſteht, ſo iſt doh der eigentlihe Herr immer das am ſtärkſten bewehrte Männchen, der ſtärkſte Tusker. Alle die Weibchen wie die anderen Männchen, fürchten ihn um ſeiner Stoßzähne willen, ſo daß ſein Einfluß eigentlih mit der Größe ſeiner Waffen wächſt. Kein ſhwächer bewehrter Tusker wagt es, ihm gegenüberzutreten. Auch gezähmte Elefanten beiderlei Geſhle<ts weichen vor ihren am mächtigſten bewehrten Genoſſen zurü>, obwohl die Stoßzähne in der Gefangenſchaft meiſt geſtußt, d. h. bis zu einer gewiſſen Länge abgeſägt werden. Die zahmen Tuskers eignen ſic trefflih, friſch eingefangene Elefanten gefügig zu machen, denn re<ht ſtarke vermögen ſelbſt die wildeſten in kurzer Zeit einzuſchüchtern; falls ihre Stoßzähne gekürzt worden ſind, legt man ihnen oftmals ſtählerne Erſaßſtücke an, mit denen ſie dann jedem Gegner gewachſen ſind.
Obwohl jede geſchloſſene Herde eine eigene Familie bildet, ſcheinen doh fremde Elefanten, wie junge Männchen und entlaufene gezähmte Weibchen, meiſt ohne Schwierigkeiten aufgenommen zu werden, wenn es fonſt au< mancherlei AuZnahmen geben mag. Jedenfalls iſt es niht rihtig, vorauszuſeßen, daß die ſogenannten „einſamen Elefanten“ Ausgeſtoßene ſeien, die nirgends Anſchluß finden könnten. Sanderſon widerſpricht einer ſolchen Auffaſſung ganz beſtimmt. Nach ihm ſind die meiſten dieſer Tiere, und zwar öfter junge als alte Männchen, nux ſcheinbar vereinſamt, halten ſi< vielmehr aus eigener Neigung bloß zeitweilig etwas abſeits von ihrer Herde und folgen den Bewegungen der Geſamtheit. Ein wirklich einſamer Elefant, der niht mehr mit ſeinesgleihen zuſammengeht, tritt recht ſelten auf und iſt auh dann no< keine8wegs immer ein bösartiger Burſche, ein „Rogue“, wie ihn die Engländer nennen. Dagegen bildet er ſih oftmals zu einem tüchtigen Plünderer der Pflanzungen aus, der, mit den harmloſen Künſten der Wächter vertraut, ſih niht ſo leicht durch die üblichen Mittel verſcheuchen läßt. Manche dieſer Einzelgänger werden fuarlih dem Menſchen, der ſie unerwartet ſtört oder jählings überraſcht, gefährlich, indem ſie, wie ſo manche andere wehrhafte Tiere, gewiſſermaßen im erſten Schre>en gegen ihn vorgehen. Aber nur die wenigſten werden zu Nogues, zu e<hten bösartigen Burſchen, die blindwütend jeden Wanderer angreifen, ohne geſtört oder gereizt zu ſein, bloß weil es ihnen gefällt, wie z. B. der Mandla-Rogue, der in der Mitte der ſiebziger Jahre unfern von Dſchabalpur in den Zentralprovinzen hauſte und ſehr viele Menſchen tötete, bevor es zwei engliſhen Offizieren glüdte, ihn zu erſchießen. Einen anderen Tusker, der gerade anfing, ein Rogue zu werden, erlegte Sanderſon, nahdem er ihn ſchon jahrelang gekannt hatte, und zwar niht als Einzelgänger, ſondern als unzertrennlihen Gefährten eines Mu>nas. Kinlo<h berichtet von Rogues, die in den Wäldern am Fuße des Himalaja auftraten, daß die gefährlichſten, wie menſchenfreſſende Tiger, zeitweilig ſogar gewiſſe Verkehrswege vollſtändig ſperren, weil kein Menſch, der dieſe begeht, vor ihrem Angriffe ſicher iſt.