Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

572 Erſte Drdnung: Baumvögel; a<htundzwanzigſte Familie: Spechte.

10 Kreuzbein- und 7 Schwanzwirbeln, deren letzterer beſonders groß, ſtark ſchr breit an der Hinterfläche und mit langen, ſtarken Dornfortſäßen verſehen iſt. Kopf: und Rumpfteile ſowie Ober: und Vorderarm ſind luftführend. Unter den weichen Teilen zeihnet ſi< vor allen die Zunge aus. Sie iſt klein, hornig, ſehr lang gezogen und an jeder Seite mit 5 bis 6 kurzen, ſteifen Stacheln oder Borſten beſezt, die wie Widerhaken an einer Pfeil[pibe erſcheinen. „Dieſe kleine Zunge“, ſagt Burmeiſter, „ſißt an einem langen, geraden, griffelförmigen Zungenbeine von der Länge des Schnabels, von welhem nach hinten no< zwei doppelt ſo lange, zweigliederige Zungenbeinhörner ausgehen. Das Zungenbein ſte>t in einer höchſt elaſtiſhen, warzenreihen Scheide, die eingezogen wie eine Sprungfeder ausſieht, im Munde liegt und ſih gerade ausdehnt, wenn die Zunge vorgeſtre>t wird. Jn der Nuhe biegen ſi< die Zungenbeinhörner um den Hinterkopf zur Stirn hinauf, liegen hier unter der Haut und reihen mit ihren Spißen ſogar bis in die hornige Scheide des Schnabels weit über die Naſenlöcher hinaus, indem ſih daſelbſt (am re<hten Naſenloche) eine eigene Nöhre zu ihrer Aufnahme befindet. Sie ſteigen von hier, wenn der Specht die Zunge ausſtre>t, in die elaſtiſhe Scheide des Zungenbeinkörpers hinab und ſchieben ſo die Zunge vor ſih her, mehrere Centimeter weit aus dem Schnabel hinaus.“ Mit dieſer eigentümlichen Zungenbildung iſt eine ungewöhnliche Entwi>elung eines Schleimdrüſenpaares verbunden. Dieſe Drüſen ziehen ſi< an den Unterkieferſeiten dahin, reihen bis unter die Ohröffnungen, ſondern kleberigen Schleim ab und überziehen mit dieſem den langen Zungenhals in ähnlicher Weiſe, wie es bei dem Ameiſenfreſſer geſchieht. Der Shlund iſt ohne Kropf, der Vormagen meiſt lang, der Magen muskelig. Blinddärme fehlen oder ſind verkümmert; eine Gallenblaſe dagegen iſt vorhanden.

Es leuchtet ein, daß der eigenartige Bau der Füße, des Shnabels, der Zunge und des Schwanzes den Specht zu ſeiner eigenartigen Leben3weiſe außerordentli<h befähigt. Mit ſeinen ſcarf eingreifenden Nägeln, die eine ausgedehnte Fläche umklammern, hängt er ſich ohne Mühe an ſenkre<hte Stämme an, und der Shwanz unterſtützt ihn dabei gegen das Hinabrutſchen. Wenn er ſi< nun auf dieſen ſtemmt, drücen ſih niht bloß die Spißen der 8 Hauptfedern, ſondern auch faſt alle einzelnen, gleichſam ſelbſtändig gewordenen Federenden, die widerſtandsfähigen Fahnenſtrahlen der 3 mittleren Federn jeder Seite, an den Stamm und finden wegen ihrer großen Anzahl au< in deſſen kleinſter Ungleichheit ſichere Anhaltepunkte. Der kräftige, ſharfe Schnabel iſt zum Meißeln vortrefflih geeignet, und der Schwanz untexſtüßt auh ſol<he Arbeit, indem er beim Arbeiten des Spechtes als Schnell: feder dient. Die Zunge endlih dringt vermöge ihrer Dünne oder Fadenartigkeit in alle Löcher und vermag dank ihrer ausgezeihneten Beweglichkeit jeder Biegung eines von dem Kerbtiere ausgehöhlten Ganges zu folgen.

Die Spechte ſind, mit Ausnahme des auſtraliſchen Gebietes und der Fnſel Madagaskar, über alle Teile der Erde verbreitet und auh im Norden keineswegs ſeltene Erſcheinungen. „Zhre Geſamtzahl“, ſagt Gloger, „ſteigt mit dem zunehmenden Reichtum der Länder an Wäldern und wächſt mit dem üppigen Gedeihen der lebteren.“ Wahre Paradieſe für ſie bil: den die ausgedehnten, zuſammenhängenden Urwaldungen der Wendekreisländer, namentlich Südamerikas und Fndiens; denn in Afrika kommen merkwürdigerweiſe nur wenige und faſt ausſ<ließli< kleine Arten vor. Jn den braſiliſhen Waldungen gehören ſie, wie uns der Prinz von Wied mitteilt, zu den gemeinſten, allerorts verbreiteten Vögeln. „Überall gibt es verfaulte alte Stämme, überall reihe Kerbtierernte für dieſe einſamen Waldbewohner. Da, wo in Braſilien die Stille der weiten Wildnis niht dur< die Stimme anderer lebenden Weſen unterbrochen wird, hört man doh gewiß den Ruf der Spechte. Aber ſie bewohnen in jenem ſ{önen Lande nicht bloß die Urwälder, ſondern beleben auch die Vorhölzer und Gebüſche, ja ſogar die offenen Triften.“ Warum ſie in den oben genannten