Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Spechte: Allgemeines. 579

nüßlihen Schaffens, daß jedes Paar von ihnen ſi< im Frühlinge ſtets eine ganz neue Bruthöhle anfertigt, um ſie niemals wieder ſelbſt zu benugen.“ Dies iſt nun freilih nicht zutreffend; denn mein Vater, ih ſelbſt und andere Beobachter haben gerade das Gegenteil erfahren; aber ſehr richtig iſt die weiterhin von Gloger aufgeſtellte Behauptung , daß die Spechte eine gewiſſe Neigung zeigen, ſi<h au< während der Strichzeit überall, wo ſie niht bloß ganz kurze Zeit verweilen, eine Höhle zum Sthlafen zureht zu machen, und daß ſie bei dieſer Arbeit einen gewiſſen Eigenſinn bekunden, indem ſie niht ſelten eine, au<h wohl zwei bereits angefangene und halb fertig gearbeitete Höhlen wieder verlaſſen, die den meiſten anderen Höhlenbrütern ſhon ausgezeihnet brauchbar erſcheinen, furz, daß ſie für das Wohl dieſer nüßlihen Geſhöpfe nah beſten Kräften ſorgen. Und deshalb ſchließe ih mi<h mit vollſter Überzeugung der Bitte Wieſes an, die Spechte zu ſchonen, und empfehle auh meinen Leſern ſie alle ohne Ausnahme „die großen und die kleinen, die ſhwarzen, grünen und bunten als bewährte Freunde der Wälder. Die Spechte, wenn ſie auh die ſhadhaften Stellen an den Bäumen aufde>en, ſhaden entſchieden weniger, als ſie im Haushalte der Wälder unmittelbar wie mittelbar Nuten ſtiften. Sie werden ſchon durch die Einrichtungen des Forſtmannes genug beengt und beſchränkt in ihrer Vermehrung; es bedarf dazu niht mehr einer unmittelbaren Verfolgung dur<h Schießgewehre. Jmmexr ſeltener werden in vielen Forſten die Bäume, die ſie regelmäßig und gern behufs Anlage von Höhlungen aufſuchen, und wohl dürfte es an der Zeit ſein, zu ihrer Hegung einige von dieſen anbrüchigen Bäumen recht abſichtlih überzuhalten, damit Spechte und Höhlenbrüter ſie benußen. Jh bin der Überzeugung, daß dadurch ebenſ ſowenig dem Vorteile ves Waldbeſißers wie dem Rufe des Forſtmannes irgend eine Beeinträchtigung erwachſen kann.“

Alſo Schuß und freies Geleit, Hegung und Pflege dieſen nüßlichſten und wichtigſten aller unſerer Waldhüter! Sie haben ohnehin der Feinde genug. Nicht allein Raubſäugetiere und Vögel ſtellen ihnen nah, ſondern auch unverſtändige Menſchen, insbeſondere Bubenſhüßen aller Art, denen ſie ſi nur zu oft zur Zielſcheibe bieten. Manchexlei Unglüksfälle ſuchen ſie heim. Altum ſchildert „ein Spechtgrab“, das einer großen Anzahl von ihnen verderblih geworden iſt. Jn einer alten Buche fand ſi<h na<h dem Fällen ein etwa 3 m langer und 40 em breiter ausgefaulter Hohlraum in Geſtalt eines umgekehrten Zukerhutes, welcher dur zwei Löcher, eines in der unebenen Dee der Höhle und ein vom Spechte eingemeißeltes, mit der Außenwelt in Verbindung ſtand. Durch erſteres Loh wurde nah jedem Regenguſſe der Hohlraum auf 2,3 m unter Waſſer geſeßt, und in ihm fanden viele von den Spechten und neben ihnen au< Stare, die nachts hier Unterſchlupf geſucht hatten, ihr Grab. Der Forſtaufſeher Ho<hhäuslex unterſuchte die verräteriſche Höhlung genauer und zählte 105 Schädel. Nach ſeiner Schäßung mußten alljährli<h mindeſtens 12 Grünſpechte in dieſer Buche ihr naſſes Grab gefunden haben; jeder des Weges kommende Specht nahm hier, oft für immer, ſeine verhängnisvolle Herberge. Manch einer mag \ih aus dem Waſſer gerettet haben; die übrigen waren nicht im ſtande geweſen, dem feindlichen Elemente zu entrinnen.

Die Familie der Spechte zerfällt in 5 Unterfamilien, die über 350 Arten umfaſſen. Die vier erſten Unterfamilien werden von einigen Vogelkundigen in eine einzige zuſammengezogen; ihre Übereinſtimmung iſt auch eine ſo große, daß man ſtreng genommen nur zwei Unterfamilien annehmen darf. Wir wollen im Nachſtehenden der üblichen Auffaſſung Rechnung tragen und fünf Unterfamilien hervorheben.