Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

612 Erſte Ordnung: Baumvögel; a<htundzwanzigſte Familie: Spechte.

Fragen aushalten. Schließlih brachte er den Elfenbeinſhnabel auf ſeinem Zimmer unter und verließ dieſes, um für ſein Roß Sorge zu tragen. Als ex nah etwa einer Stunde zurü>kehrte, fand er, daß der gewaltige Vogel ſi<h beinahe ſhon befreit hatte. Er war an der Verkleidung des Fenſters emporgeklettert und hatte die Zimmerwände faſt dur<brochen. Da Wilſon ihn zeichnen wollte, verzieh er ihm den Fluchtverſu<h und band ihn, um einen ferneren zu verhüten, mit einer Kette an das di>e Bein eines Mahagonitiſches. Hierauf verließ er das Zimmer abermals, um für ſeinen Pflegling Futter zu ſuchen. Beim Zurücfommen vernahm er {hon auf der Treppe, daß der Specht wieder arbeitete, und als er in das Zimmer trat, ſah er zu ſeinem Entſeßzen den Tiſh anſtatt auf vier, nur no< auf drei Beinen ſtehen. Während er zeihnete, brachte ihm der unwillige Vogel mehrere Wunden bei und bekundete überhaupt einen ſo edeln und freiheitsliebenden Sinn, daß der Forſcher mehr als einmal daran dachte, ihn in ſeine Wälder zurü>zubringen. Das ihm dargereihte Futter verſchmähte er gänzlich, und ſo erlag er ſchon am dritten Tage den Leiden der Gefangenſchaft. |

Eine eigentümliche Spechtgattung der nordiſhen Reiche umfaßt die Dreizehenſpechte (Picoides), Buntſpehte mit dreizehigen Füßen, deren beide Vorderzehen faſt gleich lang und etwas türzer als die einzige Hinterzehe ſind.

Der deutſche Vertreter dieſer Gattung iſt der Dreizehenſpecht, dreizehiger, dreifingeriger oder \<he>iger Buntſpeht, Baumha>ker, Baumpi>er oder Gelbkopf (Picoides tridactylus, variegatus, europaeus, alpinus, montanus und crissolenucns, Apternus tridactylus, kamtschatkensis, longirostris, montanus und septentrionalis, Picus tridactylus, hirsutus, crissoleucus und leucopygus, Tridactylia hireuta und kamtschatkensis, Dendrocopus tridactylus). Der Vogel, der unſerem Buntſpechte an Größe ungefähr gleihkommt, iſt zwar nicht ſo lebhaft, aber faſt ebenſo bunt wie dieſer gezeichnet. Die Federchen, welche die Naſe überde>en, ſind weiß, an der Spibe ſ{<hwarz, die des Vorderkopfes weiß, dur< ſhwarze Schaftſtrihe gezeihnet, die des Scheitels lebhaft zitrongelb. Der Hinterkopf, ein über das Auge, die Ohrgegend und an den Halsſeiten herab verlaufender breiter Streifen, der oberſeits von einem ſ{hmalen, unterſeits von einem breiten weißen begrenzt wird, und ebenſo ein unter dem leßteren ſtehender, an der Wurzel des Unterſchnabels beginnender und von hier zum Hinterhalſe verlaufender, teilweiſe nur aus Scaftſtrichen gebildeter Streifen ſind ſchwarz, Kinn, Kehle und Mitte der Unterſeite weiß, Kropf- und Bruſtſeitenfedern mit hwarzen Schaſtfle>en, Bauch, Schenkelſeiten, After und untere Shwanzde>federn mit ſhwarzen Querbinden, die Oberteile einſhließlih der Flügel bis auf einen breiten weißen Längsſtreifen, der ſih von dem weißen Hinterhalſe bis zu den oberen Schwanzde>en herabzieht, ſhwarz, die Flügel wie die Schulterfedern DUL weiße Längsfle>en geziert, die Handſhwingen außen mit fünf, die Armſchwingen mit drei weißen Querfle>en und an der Jnnenfahne mit großen weißen RandfleÆen ausgeſtattet, ſo daß ſi bei zuſammengelegten Flügeln ſechs ſchmale weiße Querbinden darſtellen, die äußerſten beiden Schwanzfedern endlih mit zwei weißen Querbinden und weißer Spiße, die dritte mit nur einer Querbinde geſ<hmü>t. Das Auge iſt weiß, der Schnabel bleiblau, an der Spitze ſhwarz, der Fuß bleifarben. Beim Weibchen iſt der Scheitel niht gelb, ſondern wie der Vorderkopf weiß und ſhwarz längs geſtrichelt.

Das Verbreitungsgebiet des Dreizehenſpehtes verdient inſofern beſondere Beachtung, als es ſi< in Mittel- und Südeuropa ausſcließli<h auf das Hochgebirge und die höchſten Mittelgebirge beſchränkt, dagegen über den ganzen Norden unſeres Erdteiles und ebenſo über Mittelaſien bis Kamtſchatka und Sachalin, nah Norden hin bis zur Holzgrenze und