Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Mittelſpe<ht: Verbreitung. Aufenthalt. Lebens8weiſe. 623

Baumhöhlung, in welcher er die Nacht zubringen kann, ſo bereitet er ſih eine neue zu dieſem Behufe, und man ſieht ihn ſolche, oft mühſam genug, meiſt auf der unteren Seite eines wagerehten morſchen Aſtes anlegen.

Auch unter ſeinen Verwandten fällt der Mittelſpeht durch ſeine bunte Schönheit angenehm auf und das abſtehende Shwarz und Weiß mit dem leuchtenden Rot herrlich in die Augen. An Munterkeit übertrifft er faſt alle anderen Arten. Seine Bewegungen ſind hurtiger und gewandter als die des Notſpechtes: wenn er mit dieſem in Streit gerät, ſo weiß er ſih dur geſhi>te Wendungen recht gut zu ſichern. Wenig geſellig und unverträglich wie alle Spechte, hadert er auh mit ſeinesgleihen beſtändig, und nicht ſelten ſieht man ihrer zwei ſih pa>en und unter vielem Schreien ein Stü herunter-, zuweilen ſelbſt bis zum Boden herabfallen. Anlaß zu ſolchen Streitigkeiten findet ſih, ſobald ein anderer gleichzeitig denſelben Baum beklettert; denn aller Streitluſt ungeachtet ſtreichen doh oft mehrere gemeinſchaftli<h in einem Gehölze umher. Ebenſo wie der Buntſpecht geſellt er ſi< zu Meiſen, Goldhähnchen, Kleibern und Baumläufern, ja der ſtreichende Mittelſpecht erſcheint ſo regel: mäßig mit ſolchem Gefolge, daß es zu den Ausnahmen gehört, wenn man einmal einen ohne das tleinere Volk bemerkt. Mit den anderen Arten ſeiner Familie teilt er beſtändige Unruhe und Haſt. Nur wenn es ſih darum handelt, erkundete Beute aus dem Holze zu ziehen, verweilt er kurze Zeit auf einer Stelle; im Übrigen iſ er fortwährend in Bewegung.

Seine Gewandtheit zeigt au< er nur im Klettern und Fliegen. Auf dem Boden hüpft er mit ſtark gebogenen Ferſen, wenn auch niht gerade ſhwerfällig, umher; im Klettern zeigt er ſih fo überaus gewandt, daß er von feinem anderen einheimiſchen Spechte übertroffen werden dürfte. Sein Flug bewegt ſi in einer großen Bogenlinie und iſt leichter und ſ{hneller no< als der des Buntſpechtes. Dieſem ähnelt ex auch hinſihtlih ſeiner Stimme; ſein „Kid“ oder „Kji>“ liegt jedo<h höher und wird ſchneller und haſtiger wiederholt als bei dem leßtgenannten. Jm Frühjahre ſchreien die Mittelſpechte viel, und wenn die Männchen um ihre Weibchen werben, ſegen ſie ſih dabei oft auf die Spitze eines hohen Baumes und wiederholen die Silbe fid“ unzählige Male und gegen den Sthluß hin gewöhnlich ſo ſ{hnell nacheinander, daß man das Ganze eine Schäkerei nennen möchte. Der Ruf gilt dem Weibhen, lot jedoh au< andere Männchen herbei und wird dann Aufforderung zum Kampfe. Denn nicht ſelten ſieht man bald darauf ein anderes Männchen ſi< mit dem erſteren im heſtigſten Streite von einem Baume zum anderen jagen und auf den Äſten entlang verfolgen. Auch kommt es dann wohl zu wirklichen Angriffen, und erſt wenn beide des Jagens müde ſind, hängen ſie ſi< nebeneinander an einen Baum und ſchreien gewaltig, unter diejen Umſtänden aber kreiſhend und quäkend, alſo ganz anders als gewöhnlich. Hierbei ſträuben ſie die ſchön gefärbten Kopffedern hoch auf, verharren ein Weilchen in drohender Stellung, fahren meiſt plößlih wieder aufeinander los, und pa>en ſi< niht ſelten ſo, wie vorſtehend geſchildert. Das verliebte Männchen jagt während der Paarungszeit in ähnlicher Weiſe hinter dem Weibchen her, bis dieſes ſih ihm ergibt. Außerdem gefallen ſich die Männchen während der Begattungszeit au darin, an dürren Zacken nah Art der Buntſpechte zu trommeln.

Die Nahrung des Mittelſpechtes iſt faſt dieſelbe, die wir beim Buntſpechte kennen gelernt haben; doch hält er ſi< mehr an Kerbtiere als dieſer und frißt mancherlei Baumſämereien nur nebenbei. Um ſein tägliches Brot zu gewinnen, erklettert auh er die Bäume vom Stamme an, hämmert und pot ununterbrochen an ihnen und nimmt alle Kerfe weg, die in den Riſſen der Borke unter der Schale oder in dem vermorſ<hten Holze ſigen. Bor: ken-, Zangen- und Nüſſelkäfer in allen Lebenszuſtänden, die Larven der Borkenkäfer und Holzweſpen, Spinnen, Kerbtiereier und Naupen beſchi>en ſeinen Tiſch, und da ſeine rege Thätigkeit raſchen Stoffwechſel bedingt, ſieht man ihn vom frühen Morgen an bis zur