Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3
Waldſchnepfe: Aufenthalt. Lebensweiſe. Stimme. 5
beim Niederdrü>en ſtets eine Stelle auszuwählen, die ſie verbirgt. Cine Schnepfe, die, ohne ſich zu regen, zwiſchen dürrem Laube, Holzgebröckel, neben einem Stücke zu Boden gefallener Borke oder einer hervorragenden Wurzel liegt, wird ſelbſt von dem ſhärfſten Auge des geübteſten und erfahrenſten Jägers überſehen und günſtigſten Falles nur an den großen Augen exkannt. Jn dieſer Lage verweilt ſie ſo lange, wie es ihr rätlih erſcheint, und namentlih, wenn ſie verfolgt worden war, läßt ſie den Jäger oft bis auf wenige Schritte herankommen, bevor ſie plößlih aufſteht. Sodann fliegt ſie nie anders, als auf der entgegengeſeßten Seite des Geſträuches hinaus und immer ſo, daß ſie dur Gebüſch und Bäume vor dem Schüßen gede> wird. Beim Einfallen beſchreibt ſie oft einen weiten Bogen, ſtreicht aber, wenn ſie ſhon das Dickicht erreicht hat, noh weit darin fort, ſchlägt auch wohl einen Haken und täuſcht ſo niht ſelten vollſtändig, berehnet alſo ganz richtig, daß der Feind ſie dort aufſuchen wird, wo er ſie einfallen zu ſehen geglaubt hatte. Nah Art ihrer Familie bekümmert ſie ſi übrigens möglihſt wenig um andere Geſchöpfe, ſolange die Liebe nicht ins Spiel kommt, nicht einmal ſehr um ihresgleichen, geht ihren eignen Weg und macht fich mit anderem Geflügel ſowenig wie möglich zu ſhaſfen. Jedem nur einigermaßen be: denklih erſcheinenden Tiere mißtraut ſie, und faſt ſcheint es, als ob ſie au< in dem harmloſeſten und unſchuldigſten ein gefährliches Weſen ſähe. Es ſpricht für ihre geiſtige Begabung, daß ſie dieſes Mißtrauen in innigerem Umgange mit dem Menſchen nah und nach ablegt. Sie läßt ſi< zähmen und wird, wenn ſie jung aufgezogen wurde, ſehr zutraulih, beweiſt dem Wärter ihre Zuneigung durch ſonderbare Stellungen und Gebärden, wie ſie ſolche während der Paarung anzunehmen pflegt, hört auf ſeinen Ruf, kommt herbei und ſtößt, gleichſam zur Begrüßung, wohl auch einen ihrer wenigen Stimmlaute aus. Dieſe Laute entbehren jedes Wohlklanges, klingen heiſer und gedämpft wie „kath“ oder „dad“ und „aecht<h“, werden jedo< während der Zeit der Liebe oder im Schre>e einigermaßen verändert, im erſteren Falle in ein furz abgebrochenes Pfeifen, das wie „pßiep“ klingt und oft das Vorſpiel zu einem dumpfen, ſcheinbar tief aus der Bruſt kommenden „Furr“ iſt, in leßzterem Falle in ein quiekendes „Schähtſch“ vertönt. Es iſt wahrſcheinlich, daß das Pfeifen und das ſogenannte Murkſen nur vom Männchen, ein ſanftes Piepen aber vom Weibchen hervorgebracht wird.
Mit Beginn der Abenddämmerung fliegt die Waldſchnepfe auf breite Waldwege, Wieſen und ſumpfige Stellen im Walde oder in deſſen Nähe nah Nahrung aus. Ein ſorgfältig verſte>ter Beobachter, von deſſen Vorhandenſein ſie keine Ahnung hat, ſieht hier, wie ſie den langen Schnabel unter das alte abgefallene Laub ſchiebt und es haufenweiſe umwendet, um die darunter verſte>ten Larven, Käfer und Würmer bloßzulegen, oder wie ſie mit jenem in den feuchten, lo>œeren Boden bohrt, indem ſie ein Loh dicht neben dem anderen einſticht, ſoweit es der weiche, biegſame Schnabel geſtattet. Fn ähnlicher Weiſe durchſtöbert ſie friſhen Rinderdünger, der ſehr bald von Kerbtierlarven bevölkert wird. Gewöhnlich hält ſie ſi< niht lange an einer Stelle auf, ſondern fliegt von einer zur anderen. Larven der verſchiedenſten Kerbtiere und dieſe ſelbſt, kleine Na>tſchne>en, insbeſondere aber Regenwürmer, bilden ihre Nahrung. Jn der Gefangenſchaft gewöhnt ſie ſih, wenn man ihr anfänglih reihli<h Regenwürmer vorlegt, nah und nah an Milchſemmel und Ameiſeneier, lernt au< bald das Bohren in weichem Raſen, ſelbſt wenn ſie ſo jung dem Neſte entnommen wurde, daß ſie keine Gelegenheit hatte, dieſe Art des Nahrungserwerbes erfahrungsmäßig kennen zu lernen.
Jn einſamen, ſtillen Wäldern wählt ſich die Waldſchnepfe zu ihrem Niſtplaße Stellen, auf welchen dichtes Unterholz mit freien Blößen abwechſelt. Nachdem ſi<h das Pärchen geeinigt, das Männchen mit ſeinen Nachbarn wochenlang herumgeſtritten hat, ſucht das Weibhen ein geeignetes Pläßchen hinter cinem kleinen Buſche, alten Sto>e, zwiſchen Wurzeln,