Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3
Kiebik: Verbreitung. Aufenthalt. Bewegungen. Stimme. 5ST
vernimmt man zuweilen ſelbſt in der Nacht ihre bezeihnende Stimme, und am Tage gewahrt man, namentlih in Flußthälern, zahlreiche Haufen, die meiſtens ohne Ordnung, aber doch geſchart, ihre Wanderung ausführen.
Sobald eine Kiebißſchar ſih in der Heimat feſtgeſeßt hat, zerteilt ſie ſich einigermaßen auf den betreffenden Standorten und beginnt nunmehr ihr Sommerleben. Der Kiebiß liebt die Nähe des Menſchen nicht, meidet deshalb, vielleiht mit Ausnahme der Marſchländer, deſſen Wohnung ſoviel wie möglih. Hauptbedingung des Brutplaßzes iſt die Nähe von Waſſer. Es kommt zwar auh, jedoch ſelten, vor, daß Kiebige hochgelegene Bergebenen zum Niſten wählen; wenn es aber geſchieht, darf man mit ziemlicher Sicherheit darauf rehnen, daß die ſonſt benußten Niſtpläße im Laufe des Sommers werden überſ<hwemmt werden. Auf dieſen Niſtpläßen nun ſieht oder hört man den Kiebiß zu jeder TageSszeit. Ganz abgeſehen von ſeiner Wachſamkeit , die in jedem anderen Geſchöpfe, vielleicht mit Ausnahme der Rinder und Schafe, ein gefährlihes Weſen erkennen will, gefällt ſih der Vogel in einer faſt ununterbrochenen Beweglichkeit, und da ex lieber fliegt als läuft, zur Kundgabe ſeiner Liebesgefühle oder auh ſeines Ärgers und mancher Spiele, deren Grund man niht ret begreift, hauptſächlich ſeine Schwingen benußt, kann es niht fehlen, daß man ihn wahrnimmt. Am lebhafteſten gebärdet er ſich, ſolange ſeine Eier im Neſte liegen oder ſeine Jungen noh unfähig ſind, herannahender Gefahr fliegend zu entrinnen. Um dieſe Zeit wird jeder Menſch, welcher in die Nähe ihres Brutortes kommt, unter lautem „Kiwit“ umſhwärmt und zwax mit einer Kühnheit, die wahrhaſt in Erſtaunen ſeßt; denn der um ſeine Brut beſorgte Vogel ſtößt oft ſo diht an dem Kopfe des Menſchen vorbei, daß dieſer den dur ſnelle Bewegung erzeugten Luftzug deutlih verſpüren kann. Der Flug iſt vortrefflih und durc die mannigfaltigſten Wendungen gleichſam verſhnörkelt. Nur wenn der Kiebitz über dem Waſſer dahinſtreicht, fliegt er mit langſamen Schwingenſchlägen ſeines Weges fort; ſowie er ſi in höheren Luftſchichten bewegt, beginnt er zu gaukeln, gleihſam als wolle er jedes Gefühl dur< eine beſondere Bewegung ausdrücen. Wenn ſi ihm oder ſeinen Jungen wirklih Gefahr naht, führt er die kühnſten Shwenkungen aus, ſtürzt ſich faſt bis auf den Boden hinab, ſteigt aber ſofort ſteil wieder in die Höhe, wirft ſi bald auf dieſe, bald auf jene Seite, überſchlägt ſih förmlich, ſenkt ſih auf den Boden nieder, trippelt ein wenig umher, erhebt ſih von neuem und beginnt das alte Spiel wieder. Kein Vogel unſeres Vaterlandes fliegt wie er, keiner verſteht es, in derſelben Weiſe alle nur denkbaren Bewegungen mit den Fittichen auszuführen. Eigentümliches Sauſen und Wuchteln, das bei den ſchnellen Flügelſchlägen entſteht, zeihnet dieſen Flug no< außerdem ſo aus, daß man in der Luft dahinziehende Kiebißze auch in finſterer Nacht von jedem anderen Vogel unterſcheiden kann. Der Gang iſt zierlih und behende; der Lauf kann zu großer Eile geſteigert werden. Jm Fliegen wie im Gehen ſpielt der ſonderbare Geſelle dabei fortwährend mit ſeiner Holle, die er bald wagerecht niederlegt, bald hoch aufrichtet. Von ſeiner Stimme macht er ſehr oft Gebrauch, und obgleich ſie niht we<ſelvoll genannt werden kann, weiß er doh die wenigen Töne, aus welchen ſie beſteht, vielfah vertönend zu verbinden. Der Lo>ton iſt das bereits erwähnte „Kiwit“, das bald mehr, bald weniger gedehnt, überhaupt verſchieden betont wird und dann auh Verſchiedenes ausdrüdt; der Angſtruf klingt wie „<räit“, der Paarungsruf beſteht aus einer eng verbundenen Reihe von Lauten, die man durch die Silben häh querkhoit kiwitkiwitkiwit kiuiht“ ungefähr ausdrü>ten fann. Daß dieſer Ruf nur im Fluge ausgeſtoßen und von den mannigfaltigſten Gaufeleien begleitet wird, braucht kaum erwähnt zu werden. Ruf und Gaukelflug ſind, wie Naumann ſagt, unzertrennlih und bilden zuſammen ein Ganzes.
Ebenſo eigenartig, wie ſih der Kiebiß im Fluge zeigt, ebenſo abſonderlich iſt ſein Gebaren, wenn er auf ſeiner Weide na<h Nahrung umherläuft. Liebe hat ihn im Zimmer