Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6
20 Krebſe.
RKingelwürmer, hauſen in Shwämmen und auf Gorgoniden, veranlaſſen Korallen zur Bildung ſeltſamer Deformationen, beläſtigen Seeigel und Seeſterne in verſchiedenſter Weiſe/ entziehen den eignen Stammesgenoſſen die beſten Lebensſäfte, überfallen in Maſſen die Fiſche und verſchonen ſelbſt die Rieſen der Meere, die Waltiere, niht. Doch erzählt uns der Schwede Aurivillius, daß ſie nicht jede Art dieſer Leviathane mit ihrer Gegenwart beehren: ſ{<maroßende Aſſeln, Hüpferlinge und Nankenfüßer finden ſi wohl auf der Haut des nordiſchen Finnwals (Megaloptera boops), aber niht auf der des Sibbaldſchen Finnwals (Balaenoptera Sibbaldi), dem ſie dafür im Maule zwiſchen dem Faſerwerk ſeiner Barten ſißen. Am weiteſten geht indeſſen eine Aſſel im Paraſitismus, welche eine Art Aftermieterin genannt werden kann, denn ſie ſhmarobt ihrerſeits bei einem Wurzelfüßer, der ſeinerſeits der aufgedrungene, unliebſame Gaſt einer Krabbe iſt.
Nicht alle Formen indeſſen leben inder Jugend frei und ſhmarozen im Alter, auh das Umgekehrte kommt vor: eine kleine, merkwürdige Aſſel (Praniza Halidayi) lebt in der Jugend auf Fiſchen, gräbt ſich aber erwachſen in feuhten Shlamm Wohnungsröhren, und in den Neſſelorganen eines Shwimmpolypen läuft ein Flohkrebs (Diphyicola) ſeine Kinderſchuhe ab, um darauf, zur vollen Entwi>elung gelangt, die gaſtliche Stätte zu verlaſſen.
Ganz beſonders zeichnen ſi< abex die Kruſter und namentlih die Krabben und Einſiedlerkrebſe durch die freundſhaftlihen Verhältniſſe aus, welche ſie, freilih aus {<hnöden Egoismus, mit anderen Tieren, beſonders Seeanemonen, eingehen. Wir werden auf dieſe hochintereſſanten Erſcheinungen der Symbioſe, d. h. des Miteinanderlebens, bei der Betrachtung der Zehnfüßer zurückommen.
Die Beziehungen der Kruſtentiere zu den Menſchen laufen meiſtens darauf hinaus, daß jene dieſen direkt oder indirekt zu Nahrung und Genuß verhelfen: Hummern, Flußkrebſe, Languſten, Krabben, Garneelen ſind bekanntlich keine zu verahtenden Zierden unſerer Tafel. Fn England, Spanien, China und Oſtindien werden die größeren Seepoden gegeſſen, die kleineren zu Saucen und Brühen verarbeitet, und eine Entenmuſchel (Pollicipes cornucopia) wird geſotten in England und Portugal öfters genoſſen und ſoll re<t gut ſ{<me>en. Fn Ländern an den Meeresküſten können Kruſter, die im Binnenlande doh mehr Leckerbiſſen für die oberen Zehntauſend ſind, in der That mit zu den Volksnahrungsmitteln gezählt werden, freilih niht in dem Grade wie ein Kiemenfuß (Artemia Oudenyi) aus den Salzſeen von Fezzan, der ſüdlihſten Provinz von Tripolis, der dort unter dem Namen Dut, mit Datteln zu einem Mus oder Teig angerichtet, für die Einwohnerſchaſt ein wichtiges Lebensmittel abgibt.
Der indirekte Nußen, welchen die Krebſe der Menſchheit bieten, iſt auch, abgeſehen von ihrer wichtigen Nolle, welche ſie als Organe der Reinlichkeitspolizei im Meere ſpielen, kein unbedeutender. Unermeßliche Scharen kleiner Hüpferlinge (Tenura) find es, welche die Heringe an unſere und den Lodd (Mallotus villosus) an die öſtlihen Küſten Nordamerikas lo>en, und welche dadur<h unendlih viel nüßliher als alle oben genannten Lekerbiſſen, ja für Tauſende von Menſchen zur Grundbedingung des Daſeins werden. Auch Edelfiſche, wie der ſkandinaviſche Lachs (Zalmò punetatus) und die Renken der Seen unſerer Voralpen, nähren ſi faſt aus\ſ<hließli< von kleinen Kruſtern, jener von Süßwaſſeraſſeln, dieſe wiederum von Hüpferlingen und Waſſerflöhen. Der gemeinen Krabben und der weileibigen, fetten Einſiedlerkrebſe bedient man ſih vielfah als Köder beim Fiſchfang, und die Garneelen, welche oft in ungeheuern Mengen gefangen werden, verarbeitet man z. BV. im Oldenburgiſchen, laut Hein>e, zu einem Dungmittel, dem GarnatGuano, ſowie neuerdings zu einem vorzüglichen Futter für Nußgeflügel und Ziervögel.
Daß die älteren Pharmakopöen die Kruſtentiere niht überſahen, läßt ſih denken: pulveriſierte Krebsſteine waren als Lapides canecrorum ein Spezifikum gegen Magenſäure,