Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

damit zum Sein. Die Kreatur, das Nichts ist das malum. Da aus dem Sein kein Übel entstehen kann, so ist allein derjenige dem Übel und somit dem Leid ausgesetzt, der im Kreatürlichen lebt. Nur die Kreatur bringt Leid, das Sein dagegen Freude. Die Überwindung des Leides geschieht daher durch die Abscheidung der Kreatur. Denn in der Abscheidung wird der Quell alles Leides und aller Verzweiflung verschlossen. Wer abgeschieden ist, wer die aequalitas mentis, die Unberührbarkeit vom Leid sich errungen hat, der hat zugleich die aequalitas Dei, er ist Gottes Sohn geworden. Wie die Kreatur durch die Abscheidung nicht zerstört, sondern lediglih hinaufgehoben wurde ins Sein, so wird auch das Leid nicht ausgelöscht, sondern es bleibt behalten. Aber, wie die Kreatur als Nichts abgeschieden und im Licht der Wahrheit als ens wiedergewonnen wurde, so wird auch dem Leid der Sinn des absoluten Schmerzes, den es in seiner Einzelheit hat, ja es wird ihm der Charakter des Schmerzes überhaupt genommen und es wird nunmehr aus einem total neuen Aspekt wiedergewonnen als eine Freude und ein Trost in Gott. Wie das Nichts in Gott zu einem Seienden wurde, so wird das Leid in Gott zu einer Freude, zu einer Seligkeit aus der Mühe der Wahrheit und Gerechtigkeit. Das Nichts in seiner absoluten Reinheit vermittelte die Realisierung des Seins, so vermittelt das Leid die Realisierung der Freude, die aus der Einheit mit Gott, aus der Gottessohnschaft entspringt. Daher gehöre es zum Wesen des Gottessohnes, so sagt Eckhart, daß er auch leide"), denn im Ertragen des Leides liegt eine doppelte Aufgabe. Der Mensch wird darin geprüft und muß sich als Gottes Sohn bewähren: das Leid selber wird an sich als ein Nichts erwiesen, als eine Kraft, die nicht die Welt zu einem Jammertal macht, sondern die überhaupt erst die tiefste Freude, die Seligkeit ermöglicht. Aus der Kraft der Gerechtigkeit wird das Leid als absoluter Schmerz überwunden und damit die Reinheit seines Nichts erwiesen: es wird ein „liden sunder liden“”). Dieser Gedanke der Reinheit des Nichts des Schmerzes muß gegenüber mancherlei Texten, die ähnlich wie bei dem allgemeinen logischen Begriff des Nichts auf eine bloße Relativität der Leidempfindung abschwächen könnten, ausdrücklich betont werden. Nur wenn der Schmerz als reines Nichts bestimmt ist, ist es möglich, ihn als Freude in Gott zurüczugewinnen, nur dann ist die darin zum Ausdru&k kommende gewaltige Theodizee systematisch exakt. Wie die Kreatur zwischen Gott und Ich steht, so steht das Leid zwischen ihnen, denn die

es) BgTr. 31, 22 ff. #7) BgTr. 15,6, 33, 35.