Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Sein als Dasein hat somit den Interessenwert des Nichts, und dieses bestimmte Nichts wird kraft der logischen Bestimmung durch die Erkenntnis zum Sein gebracht. Damit wird aber das Dasein, dem Eckhart im eigentlichen Sinn zunächst den Begriff des Seins zugesprochen hatte, an sich zu einem bloßen Nichts und der Seinsbegriff in seiner reinen Gestalt ist identisch mit dem der Erkenntnis. Gott, dessen Natur Erkennen ist und dem keine Daseinsbestimmung irgendwelcher Art zukommt, bestimmt E&hart nunmehr als puritas essendi, als die Reinheit des Seins. Es dürfte hieraus verständlich werden, warum Eckhart in seinen späteren Schriften die These verficht, die Kreatur an sich sei ein reines Nichts und Gott sei das reine Sein. Diese Umbenennung ist in ihren Ansätzen in der Quaestio bereits deutlich vorhanden.

Wir betrachteten die These, daß das Erkennen als increabile nur der göttlichen Sphäre, das Sein als das ereabile dem Bereich der Kreatur zukommt, daß jenes diesem vorgeordnet sei. Dafür bringt Eckhart eine Anzahl von Beweisen, die geeignet sind, den methodischen Sinn und den sachlichen Gehalt seiner gesamten Ausführungen in helles Licht zu rücken, Diese Beweise stehen noch dem Ausdruck und dem Gedanken nach unter dem Aspekt der metaphysischen Causalehre:

1) Nichts ist formaliter (wirklich, real) zugleich in der Ursache und im Verursachten, wenn die Ursache eine wahre Ursache ist, und daher ist das esse real nicht in Gott. Diese Beweisform wird auf verschiedene Weise abgewandelt:

2) Das Prinzip ist niemals das Prinzipiat, wie der Punkt niemals die Linie ist. Daraus dürfte sich im Zusammenhang ergeben: der Punkt ist die Entstehungsbedingsung der Linie, er ist ihr Ursprung. Diese Deutung im logischen Sinn ergibt sich aus folgendem Text: Eckhart sagt im Verlauf des ersten Beweises: Formaliter (real!) ist in Gott kein Sein, jedoch wenn man das intelligere ein Sein nennen will, so habe ich nichts dagegen. Es muß aber betont werden, daß eine Seinsbestimmung Gott nur zukommt durch das intelligere. Im zweiten Beweis nun. in dem er das Verhältnis Gott— Kreatur an dem methodisch außerordentlidı bedeutsamen Beispiel von Punkt und Linie erläutert, macht er jene Beliebigkeitssache einer Benennung zu einer festen Begriffssetzung: Gott ist kein Sein, sondern puritas essendi. Das heißt aber nichts anderes als: Gott ist Ursprung des Seins (cf. Gey. 10,8 {f). Der Begriff der puritas essendi wird an einer eigentümlichen Interpretation des Schriftwortes Exod. 3, 15: Ego sum qui sum verdeutlicht. Wie wenn jemand, der sich des Nachts verbergen und sich nicht bekanntgeben will, auf die

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