Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Gerechtigkeit aequivoc. Es kommt dem Verhältnis der Gerechtigkeit zum Gerechten aber auch nicht die Bezeichnung der univocatio zu, denn das würde zweierlei bedeuten: 1) die absolute Identität: das trifft in diesem Fall nicht zu, da der Gerecdite nicht die Gerechtigkeit ist: 2) die gattungsmäßige Zuordnung, wie etwa der Begriff des animal gleichermaßen dem Menschen wie dem Tier zukommt (cf. Thomas v. Aqu.: CG, I. 88). Dieses bloße Nebeneinander einer Gleichartigkeit charakterisiert jenes Verhältnis auch nicht. Erst der Analogiebegriff leistet die adaequate Bestimmung, sofern die Gerechtigkeit das Urbild des Gerechten ist: nunc autem se habet analogice exemplariter et per prius, non cadit sub numero, sicut nec sub tempore (III 569,5 f). Der Begriff der Urbildlichkeit ist zwar eine traditionelle Vorstellungs- und Denkweise: die Bestimmung aber, daß diese Relation über Zahl und Zeit liegt, weist sie dem logischen Bereich zu, wie ja allgemein die für Eckhart so charakteristische und bei ihm so häufige Relation Gerechtigkeit — Gerecdter in ursprünglicher Reinheit den platonischen Begriff der Teilhabe zum Ausdruck bringt.

Eckhart macht durch diese Umdeutung den Analogiebegriff selbst erst exakt bestimmbar, sofern er rein in der Sphäre des Logischen zwischen Identität und Verschiedenheit den Bereich einer Synthese auszeichnet, in der das Wesensgleiche sich gliedert in eine Polarität von auf einander Relativiertem. Der Begriff der Synthese kann freilich nur als vorläufiger Tendenzausdruck gelten, da eigentlich eine Analyse vorliegt, eine Spannung des Wesens in seine polaren Momente. Diese klar bestimmte Relation ersetzt jenes metaphysische Monstrum eines mittleren analogen Seins, das weder pure aequivoce noch pure univoce ist (S. Th. I, 15, 5e). Es gehörte in der Tat viel Balancierkunst dazu, um diese Mitte zu halten. Weil Eckhart dieses „Gleichgewicht“ nicht besaß (Thery), fiel er. verfiel auf „neuplatonisch-augustinische Redensarten”) und ‚„metamathematische Spekulationen“ (Meerpohl) zum Segen seiner methodischen Exaktheit.

Der Analogiebegriff der Pariser (uaestio ist grundsätzlich der gleiche wie der hier erörterte seiner späteren Schriften. Darauf hat Grabmann bereits hingewiesen (p. 61). Es liegt wie überhaupt zwiscien der Pariser Quaestio und den späteren ®) Karrer-Piesh: Meister Eckharts Rechtfertigungsschrift übers. p.

156: „An Augustin klingt audı das 6. Kapitel des anselmischen

Monologiums an: Der Mensdı kann nicht weise sein außer durch

die Weisheit — wie überhaupt dergleichen neuplatonisch-augusti-

nische Redensarten in der Frühscholastik zahlreich sind“. Daß

Karrers Auffassung von der „klassischen thomistisch-eckhartischen

Formel der Analogie“ verfehlt ist, ergibt sih aus dem Öbigen. cf. ib. 137, 143.

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