Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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Khaki und Tropenhelm, stellen sich mit guten Fenerwaffen ver-

“ sehen, an die Fenster eines Salonwagens, welchen man mit ‘ Hülfe ungeheurer Sprengungen vermittels Lyddit, Dynamit

und Ekrasit mitten in den Urwald hineingeführt hat; und nun knallen sie, rechts und links der Bahnstrecke alles nieder, was in den Bereich ihrer‘ europäischen Flinten kommt: Seltene Vögel, Hochwild, Rehe, Affen, Gnu, Antilopen und Schlangen; alles Tiere, die bis dahin den Menschen noch nicht als Feind gekannt haben, ja zum Teil den Eingeborenen als heilig galten. — Aber die ‚Kronen der Schöpfung‘ führen auch ihre Damen mit sich in das noch unausgebeutete Wunderland. Wie erscheint solch ein Monstrum, genannt europäische Dame? Um den Hals einen Marder, als Gürtel die Haut eines Otter, Stiefelchen vom Leder des Kalbes, Agrafien aus Zähnen des Elefanten, Handschühchen vom jungen Bock und auf dem spatzenhirnigem Köpichen als Triumpiilagge aller gedanken- und seelenlosen Naturmörderei die wehende Straußen- und Reiherieder. — Es gibt doch immerhin zudenken, daß in den Tropen, wo die wildeste und gefährlichste Tierwelt herrscht, die menschliche Seele am sanftesten und unschuldigsten geblieben ist, während im Abendlande fast die gesamte Tierwelt zahm und entwildert wurde und der Mensch allein die einzig wilde Bestie geblieben ist. ... . Wissen wir, ob nicht die Jahrhundertelange Gewohnheit Tierblut unserm Körper einzuverleiben, unsere Wesensnatur zemodelt hat? Miüßte die wahre Wiedergeburt der Völker des Abendlandes vielleicht ausgehen und ansetzen bei den alleralltäglichsten Gewohnheiten: bei Schlafen, Essen, Trinken, Atmen?; hinführend zu jener schöneren Zukunft von welcher der edle zarte Shelley sang:

‚Nicht mehr das Lamm, das ihm ins Antlitz schaut, Erschlägt er, sich an seinem Fleisch zu letzen, Das der Natur beleidigt Recht zu sühnen;

Die Säfte seines Körpers faulen macht.‘

Porphyrios, welcher die Seelenwanderungslehre der Pythagoräer erneuerte, trägt in seinen ‚Vier Büchern über die Enthaltsamkeit‘ (repl aroyne av Eenböywv) offenbar ganz richtige Beweise vor für die Abhängigkeit aller Wesensarten von ihrer Nahrung (‚der Mensch ißt, was er ist‘); wie denn z. B. der gewaltige, an Stärke uns dreißig- und vierzigfach überlegene Elefant eine viel harmlosere und mildere Seele hat, als die menschliche.

Zu der Zeit, wo ich dieses Kapitel zuerst in. den Druckfahnen las, 1916, wurde in meinem Wohnorte, Hannover,