Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

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was er um jeden Preis vermeiden wollte. Es war offenbar, daß ihm viel daran lag, in den Augen der Nation nicht mit ſeinen Verwandten der älteren Linie verweſelt zu werden, um ſi< und ſeinen Söhnen nicht gewiſſe Ausſichten und Möglichkeiten zu benehmen. Sein Benehmen war, wie immer, mehr vorſichtig und flug, als treu und offen.

Aber das alte Königshaus war niht nur wieder aus ‘Frankreich verbannt , ſondern auh der einzige, von einem Theile der Bevölkerung ausgehende Verſuch zu ſeiner Wiedereinſeßung wurde im Entſtehen erſti>t. Die Truppen waren entweder überall foglei< zu dem Kaiſer übergegangen, oder hatten, wie unter dem Herzog von Angouleme, den Widerſtand einzelner treu gebliebenen Generale niht lange unterſtüt. In manchen Gegenden war das Landvolk , der vielen Kriege und unaufhörli<hen Aushebungen müde, der Rückkehr Napoleon's durchaus nicht hold, hatte ſich ihm aber, von dem Beiſpiel der Soldaten verführt und an die Unterwerfung unter die von Paris ausgehenden Anordnun-

“gen gewöhnt, willenlos hingegeben.

In der Vendée allein, wo die großen Kämpfe gegen den Konvent damals no in friſchem Andenken ſtanden, erhob ſi auf den Ruf eines der populairen Namen des Landes das Volk zu Gunſten Ludwig XVIIL, Dort erſchien plößlich , aus Gent, wohin er den König begleitet , zurück= gekehrt, Ludwig de la Rochejacquelein , der Bruder des berühmten Heinrih de la Rochejacquelein, der im Zahre 1793 mit ſo großem Muth für die Sache der Monarchie gefochten , und in ihrem Dienſt gefallen war. Von England aus mit Geld und Munition unterſtüzt, brachte Ludwig de la Rochejacquelein bald mehre tauſend Landleute zuſammen, die ihm überall hin zu folgen entſchloſſen waren. Von Neuem ertönten, wie zweiundzwanzig Jahre vorher, in allen Kircſpielen die Sturmglo>en, und auf allen Thürmen wurden die weißen Fahnen aufgezogen. Es gab einen Augenbli>, wo de la Rochejacquelein ſich ſchmeicheln durfte, mit vierzig= bis fünfzigtauſend Mann gegen Paris aufbrechen zu können. Aber die Uneinigkeit unter den Führern, die ſchon im erſten Vendéekriege ſo verderblih gewirkt, und Fouhé's NRänke vereitelten die Ausführung des kühn begonnenen Unternehmens. Der Herzog von Otranto hatte, in ſeiner Eigenſchaft als Polizeiminiſter mit der Stimmung aller Lanz destheile bekannt, die Vendée ſeit Napoleon's Nü>kehr niht aus den Augen verloren. Er wünſchte dort, wie überall, einzelne Verſuche, die Ruhe zu ſtören, um ſi< aus deren Vereitelung bei Napoleon ein Verdienſt zu machen, aber keine maſſenhafte Erhebunz, die dem Kaiſer ernſte Verlegenheiten hätte bereiten können. Es lag nicht in ſeinem Plan, die