Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

320 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

fen zu erreichen, und ſo ſi zu retten, was ſonſt, bei der hitzigen Verfol= gung, {wer möglich geweſen wäre.

Die beiden ſiegenden Feldherren, Blücher und Wellington, begeg= neten ſich bei dem Vorwerk La Belle Alliance, ſchrieben mit edler Selbſtverläugnung den Erfolg des Tages einer dem anderen zu, und umarmten ſi im Angeſicht ihrer Heere, die brüderlich die Gefahren dieſes Feldzuges getheilt hatten. Obgleich beide ſhon berühmt waren , ſo wurde ihren Namen exſt dur dieſen großen Triumph das Siegel einer unvergänglichen geſchi<tlichen Bedeutung aufgedrü>t. Bis dahin waren ihnen manche andere Generale glei<hgefommen. Zé Beſiegung Napoleon's ſtand aber als einzig und unübextreffli<h da. Wellington's Truppen wa= ren von dem langen Kampfe zu ſehr erſ{öpft, um dem Feinde na<ſebßen zu können. Die Verfolgung wurde daher von den Preußen übernommen, und es von ihnen den Franzoſen unmöglich gemacht, ſih wieder zu ſammeln und einen weiteren Widerſtand zu verſuchen.

Dieſe Schlacht vom 18. Juni, die für die Franzoſen eine ihrer gro= ßen nationalen Niederlagen wie Crecy und Azincourt iſt, ward von den Preußen: Belle Alliance — von den Engländern: Waterloo — von den Franzoſen : Mont St. Jean - - genannt. Obgleich die preußiſche Benennung die ſinnvollſte iſ, ſo hat allmälig die der Engländer auch bei den Franzoſen die Oberhand gewonnen, weil England nah dem Kriege einen größeren politiſchen und litterariſhen Einfluß ausgeübt hat, und ſeine Auffaſſung und Darſtellung der Begebenheiten den übrigen Völ= kern zugänglicher und bekannter geworden iſt.

Eine Unterſuchung über das größere oder geringere Verdienſt eines jeden der beiden verbündeten Heere an der Beſiegung der Franzoſen würde zu keinem Ergebniß führen, und alles der Art Erſchienene iſt ein leerer Wortſtreit geblieben. Denn wenn die Wellington'ſhen Truppen dur ihre beiſpiellos hartnäcige Vertheidigung des Mont St. Jean Na-=poleon hinderten „den Kampf vor der Ankunft der Preußen zur Entſchei= dung zu bringen, ſo wäre ohne dieſe nict ein Sieg wie der von Waterloo erfohten , und der Feldzug überhaupt niht dort und damals beendigt worden.

Im franzöſiſchen Volke hat ſi die, obwohl ſehr irrige, Meinung erhalten, daß die Schlacht vom 18. Juni dur< Verrath verloren gegangen. Wenn Bourmont's Uebergang zu den Preußen auf die erſten Bez wegungen Napoleon's, indem ſie dem Feinde zu früh bekannt wurden, vou nachtheiligem Einfluß geweſen ſein kann, ſo hat dies keinesweges auf den weiteren Verlauf des Krieges eingewirkt. Manche franzö=