Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, str. 331
Khalifate ein Ende bereitet hatte, die Profeten Fahne mit nac Conſtantinopel und legte ſie hier im alten Serail nieder.
Mit dem na<h Selim des Zweiten Tode (1594) eingetretenen Verfalle der Osmanenmacht kam die Fahne, um den Muth der Gläubigen zu beleben, wieder häufiger in Verwendung und wehte au< 1683 vor Wien neben der ſogenannten (rothen) „Blutfahne“, welche das Wiener Arſenal aufbewahrt, und ward auh auf dem Schlachtfelde von Zenta entfaltet, obwohl beidemale der Jslam nicht bedroht war.
Hier ſoll ſie nun den ODeſterreihern in die Hände gefallen ſein, worauf man auh dieſe Fahne nah Wien brachte und ſie daſelbſt im Zeughauſe niederlegte; es behaupten jedo< türfiſche Geſchichtsſhreiber, daß weder vor Wien noch bei Zenta die wirklihe Fahne des Profeten den Gläubigen vorgetxagen wurde, ſondern nur’ eine na <g eahmte, und man glaubte in Conſtantinopel ſi< dieſen heiligen Betrug erlauben zu dürfen, um ſo die Janitſcharen beſſer anfeuern zu fönnen. Dabei iſt jedochdieFrage erlaubt, ob man niht {on viel früher in Conſtantinopel gezwungen war, zu einem ſolchen „heiligen Betruge"“ ſeine Zuflucht zu nehmen, weil die e<te Fahne des Profeten {hon ſeit Langem fehlte. Geſtattet uns nun ſ{<on die Geſhihte, an der Echtheit dieſes türkiſchen Heiligthums zu zweifeln, ſo wäre es dem einſahen Menſchenverſtand auh nux wie dur ein Wunder exklärlih, wie es mögli< ſein könne, daß ein aus Ziegenhaar geſponnenes Stück Stoff ſi unter ſo verſchiedenen Himmelsftrichen volle dreizehn Jahrhunderte unbeſchädigt erhalten fonnte. {Ft do< der Krönungsmantel des heiligen Stefan von Ungarn bereits ſehr zerfallen und fonnte derſelbe nux dur<h ſorgſames und ſleißiges Nachbeſſern in einem anſtändigen Zuſtande erhalten werden, und dieſer iſt doh bei-
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Sir Walter Baring.
nahe um vier Fahrhunderte jünger, als die Fahne des Profeten.
Auf die Truppen übte dieſe Reliquie ſtets einen großen Zauber aus, denn wer unter dem Zandschak Scherif fämpfend fällt, gilt als Schahid (Märtyrer), dem das Paradies ſofort offen ſteht. Wohl ſoll die Fahne nur in einem Religionskriege entfaltet werden, indeſſen ſteht ts dem Khalifen frei, jedem Kriege dieſen Charakter beizulegen. Wenn die türkiſhe Armee mit dem Sultan ſelbſt, oder dem Großvezier in den Krieg zieht und dieſe Fahne entfaltet wird, dann ſpriht jeder Moslim, bei einem Blik auf ſie, ſeine Gebete und ſtre>t die Hand aus, gleichſam um ſfi< anzubieten, ſie zu tragen. Ein prachtvolles Seidengezelt wird aufgeſchlagen, vor welchem die Fahne auſgepflanzt wird, welche vierzig der Großen des Reiz hes und vier Abtheilungen Fnfanterie bewachen. Fn Frieden8zeiten wird dieſe Fahne in einem eigens
dafür Beſtimmten Gemache aufbewahrt, in welchem ſi<h au< die Gewänder, die Zähne, die Haarlo>en, die Steigbügel und der Bogen des Profeten befinden. Dieſelbe ruht , gewöhnli<h mit fünf großen, grünatlaſſenen Futteralen umſ{loſſen, in einem Kaſten von Citronenholz, der über und über mit Gold und Silber beſchlagen ift. Sie hat ſonſt keine Aufſchrift oder Zeichen, nur an der Spie der Stange befindet ſi<h das einzige Wort Aalem (Fahne) und von ihr herab hängt die Form einer Menſchenhand, welche eine vom Khalifen Omar (geſt. 644, der zweite der Nachfolger Mohammeds) geſchriebene Copie des Koran enthält. Fhr Träger erhält den Titel Miri Aalem, d. i. Reichsbannerträger. Wie es hieß, ſollte diesmal die Fahne beſonders feierli<h erhoben werden. Der Sultan wollte ſie ſelbſt entfalten, der Scheik-al-Fslam, auf goldgeziertem Pferde reitend, ſie dur durch die Straßen Stambuls tragen, begleitet vom Sultan, dex mit