Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
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trägt eine ziemli<h complicirte, aber kaum widerſtandsfähige Citadelle, welhe no< aus der venctianiſchen Zeit ſtammt. Fhre Lage auf dem ſchroffen Felſengipfel iſt aber ſo günſtig, daß ſie nur des Proviantes bedarf, um fi< halten zu fönnen. Eine kleine und entſchloſſene Beſatzung fönnte ſie in dieſem Falle lange Zeit ſelbſt gegen einen mit Kanonen verſehenen Feind halten. Da die Montenegriner ſehr wenig wirkſame Feldgeſhüße und faſt gar kein Belagerungsgeſhüß beſißen, ſo iſ niht gut einzuſehen, wie ſie die Citadelle erobern könnten — es müßte denn ſein dur Verrath. Rü>wärts im Gebirge liegen no< einige Blo>häuſer, die den Titel Forts führen, und mit einigen wenigen Arnauten beſet ſind. Dieſe haben in jedem Falle wenig Ausſicht, lange Widerſtand zu leiſten. Ein im Hafen von Antivari erſcheinendes türkiſches Schiff8geſhwader müßte übrigens zu jeder Friſt einer etwaigen montenegriniſhen Belagerung ein Ende machen können.
Die Mehrzahl der Bewohner von Antivari ſind Mohammedaner ; aber alle gegen das Meer hin gelegenen Hütten ſind von Chriſten bewohnt und dieſe ſind {hon längere Zeit von den Bergbewohnern und ihren Verbündeten gegen die Mohammedaner aufgeheßt. worden.
Antivari iſt der Sit eines katholiſchen Biſchofs, unter wel<hem die Bekehrung der Bergvölker im Hintergrunde, der Miriditen und der anderen, gegen Montenegro hauſtnden Stämme, große Fortſchritte gemacht hat. Es bildete fich damit ein ganz eigenthümlihes Verhältniß heraus, welches es ſelbſt den beſten Kennern der Küſte ſ<wer macht, zu ſagen, ob dasſelbe im Falle eines größeren Krieges günſtig für die Montenegriner, oder für die chriſtli<hen, und no<h zu bekehrenden Bewohner der Küſte, oder endlich günſtig für, eine dritte Macht ſi< geſtalten fönnte.
Die Montenegriner wollten offenbar jetzt endli<h Hand anlegen, um ihrem alten Wunſch, ihrer alten Sehnſucht na< einem Hafen an der Adria Befriedigung zu verſchaffen. Sie mußten deshalb das Ufergebiet von Caſtel-Laſtua bis zum Bogana-Canal zu vbeſegen ſuhen. Es iſt das Gebiet zwiſhen dem Scutariſee und der Adria. Die Bogana iſt der einzige Waſſerarm, welcher den großen und {önen See von Scutari mit dem adriatiſhen Meer verbindet. Dieſer canalartige Fluß iſt ſchiffbar. Sogar ein türkiſches Kanonenboot läßt ſi<h zuweilen auf demſelben bliden. Die Montenegriner bringen auf demſelben ihr Holz und ihre geringen Erzeugniſſe an das Meer, nah Antivari und an anderen kleinen Küſtenorten. Jn Friedenszeiten verſicherten die Montenegriner, daß ſie ni<hts mehr wünſchten, als die freie Schifffahrt auf dieſem Canal zu erlangen. Jebt, wo der Krieg ſi< günſtig für
ſie geſtaltete, warfen ſie ſi< mit allen Kräften auf dieſe Waſſerſtraße und auf die zunächſt gelegenen Hafenpläße, um ſo viel als möglih zu erhalten und ſo wenig als mögli<h bei einem Friedensſ<{<luſſe zurü>geben zu müſſen. Aber die Herrſchaft der Pforte war auf dieſer Seite niht ſo leiht zu erſchüttern, fo lange ihre Flotte intact blieb und ſo lange die Miriditen nicht feindſelig gegen den Halbmond auftraten. Eine Gefahr für die Os8manen in und bei Antivari konnte jedo< in der Unzufriedenheit der Chriſten liegen, und wenn dieſe, wie hon vermuthet worden war, gemeinſhaſtlihe Sache mit ihren Glaubens8genoſſen in den Bergen machten. Unter dem Schuße des Erzbiſchofs von Antivari hat ſi< nämli<h vor Fahren eine Colonie von italieniſhen Mönchen an der Küſte feſtgeſeßt, wel<he als Miſſionäre zu den halbwilden Miriditen gingen und bei jenen Stämmen, welhe zum Mohammedanismus übergetreten waren, Bekehrungen zu machen ſuchten. Etwa ſieben Aulſchaften der Miriditen waren bereits fatholiſ<h, drei gemiſcht, fatholiſ<h und mohammedaniſ<h: die Luri, Pedani und Dibri, und es verlautete, daß das Chriſtenthum immer mehr Fortſchritte in den unzugänglihen Bergen mache,
Aber an der Küſte ſagte man den frommen Brüdern, welche das Geſchäft der Bekehrung mit ſolhem Erfolge betrieben, nah, daß ſie auch. den Bekehrungseifer in anderer Hinſicht entwi>elten. Die Franziskaner ſind nämli<h aus Rom gekommen ; die meiſten ſind geborene Jtaliener, doh find auh Dalmatiner unter ihnen, welche in Rom gebildet wurden.
Jhnen ſollte es darum zu thun ſein, die Sympathien der Albaneſen und der kriegeriſchen Miriditenſtämme für ihr Vaterland, für Jt alien, zu we>en, welhes ja vor Heiten gewiſſermaßen einen Theil von Albanien in Beſiß gehabt hatte, indem die Venetianer die Herren dieſer Küſte waren, welches ſie heute no< das antico territorio (alter Boden) nennen. Da auh in Antivari und überhaupt an der ganzen albaniſchen Küſte vorwiegend italieniſ<h geſprohen wird, \o ſchien ſolher Propaganda kein allzu {<wieriges Terrain entgegen zu ſtehen. Kam es demnach einmal an der Küſte zu einem Kampfe zwiſchen den Montenegrinern oder Miriditen und den türfiſhen Beſaßungen, dann erſchien eine Einmiſ<hung Ftaliens als kein Ding der Unmöglichfeit, wenigſtens ſete man an der ganzen Küſte die Luſt zur Einmiſchung bei den Ftalienern voraus, und es war dann niht ſchr wahrſcheinlih, daß die Lebtere ſi< nur zum Nuten und Frommen der Bergbewohner in das Zeug zu legen geneigl wären.
Was Oeſterreich betrifft, ſo kann es weder eine Ausbreitung Montenegros an der