Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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beſonders großer Herzlichkeit zu dieſem Ereigniß, was ihn ſehr beglücfte. Der ganze Hof wollte in corpore bei meinem Kinde Pathen ſtehen und ih freute mi<h darauf, aber drei Tage vor der Taufe bekam mein Mann die Pocken. Er glaubte ſi< aus Schre>en angeſte>t zu haben, während er mit dem Oberſt von Kraut ſprach, dex beim Prinz Ferdi= nand war und dex ſie gerade hatte und damit umherging. Am Tage der Taufe ſelbſt wax mein Mann ſo krank, daß man ihn füx verloren hielt. Dex Hof ſchi>te Damen und Herren, ihn zu vertreten, aber kam nicht ſelbſt. Meine Lage war unbeſchreibli<h traurig; erſt ſeit zehn Monaten verhei= rathet, mit cinem Kinde von drei Wochen, dabei in ſehr verwicfelten Vermögens-Verhältniſſen, über die ih nux wenig Beſcheid wußte, wäre es ſchre>li< für mi<h geweſen jeht wieder allein ſtehen zu müſſen. Aber die Vorſehung erbarmte ſih meinex und ließ meinen Mann, den man ſchon ſterbend glaubte, denno<h wieder geneſen. Meine Schwiegermutter, die herbeigeeilt war, und der Groß - Kanzler Baron von Pieret ſtanden mix in der Pflege treulih bei, beſonders der lehtexe, der täglih fam und einen beſonderen Anzug in unſerem Hauſe hatte, um ſih beim Fortgehen umziehen zu fönnen und die Pocken nicht anderwärts zu verbreiten. Auch meine Muttex brachte einen Tag um den andern bei uns zu und war ſehr aufopfernd bemüht, mix beizuſtehen. Sobald mein Mann im Stande war abzureiſen,, verließen wix Berlin und gingen zu meiner Schwägerin Rochow nah Stülpe und dann nah Groß-Giewiß, wo wix wieder den ganzen Sommer und Herbſt zubrachten. Auch meine Schwiegermutter kam wieder zu uns und ih ging zuweilen mit ihr auf ein Paar Tage nah Streliß, wo ein altex Herzog und eine äußerſt