Zenit

Sieg Triumph Tabak mit Bohnen

Raoul Hausmann

Berlin

Es wäre besser, garnichts zu manifestieren, wenn man nicht leider gezwungen wäre, der entstehenden Missverständnisse halber dies doch zu tun. Und wo keiner sich ausschliessen kann, bleibt auch keinem einzigen ein Ausweg die ganze Welt ist eine Manifestation der sich selbst missverstehenden Subjektivität, die sich selbst objektiv erklären will und damit eine endlose Verdunkelung des ihr Eigenen herbeiführt, Manifeste wollen meist die Schwere der Erde aufheben, oder den Kopf einer Schraube für den Zentralpunkt des Kosmos ausgeben trotzdem aber für die Ewigkeit in der Einbildung der Menschen gemacht erscheinen. Betrachten wir nun auf der Erde den Menschen, und was ihm gleicht oder nicht gleicht, so finden wir zuerst eine Ähnlichkeit mit einem Brummkreisel, der sich selbst seine Existenz als mit der Welt identisch vorsagt, indem er sich, von einem ihm unbekannten Ausgangs und Antriebspunkt aus, eigensinnig entrüstet über die mit ihm versuchte zentrifugale Belebung auf der Spitze dreht und sich so seine Kategorie: Schwerkraft, seinen Begriff des Rühens, der Pyramide beweist. Der Kreis, den etwas in Umdrehung versetzte, den irgend etwas über sein eigentliches Wesen hinausheben wollte, fällt wieder um, er gleicht dem Menschen auch darin, als auch der Mensch nur in den endlichen Formen der Identität, der Begriffsbildung sich von der Unendlichkeit anges tossen in sie hineinwagen will ohne zureichende Mittel, Der Mensch versucht vergeblich aus sich ein transzendent-immanentes Perpetuum mobile zu machen er dreht sich infolge der ihm eigenen Schwere, des Strebens nach dem Festhalten eines Fussbodens, eines Piedestals, unaufhörlich um seins Achse und brummt. Dies Brummen bedeutet seine Bewandertheit im Ausfinden von Unterschieden, mit denen er aber nichts Rechtes anfangen kann, genau wie der Kreisel, der auch ein Charakter ist; seine Moral besieht in dem Wahne, kosmisch zu sein, teilzuhaben an dem Dynamischen der Welt und doch sich endlich, zur Erweisung einer eigenen Individualität hin zulegen. Der Mensch, der das unendliche Individuum oder die wirkliche Wesenhaftigkeit der ewigen Wahrheit zu besitzen behauptet, hat gleich dem Brummkreisel den Wahlspruch: In uer Beschränkung zeigt sich erst der Meister seine Ach-e, um die er und auch jener sich drehen, genügt ihm, bestätigen ihnen beiden genug; ihr endliches Ego, das sie apriorisch salben und doch nur mit sich selbst identifizieren als Denkmal, Maschinell macht der Dynamismus ebenfalls keine Fortschritte: Ob Pyramide oder Nähmaschine, Eisenbahn, ja selbst Flugzeug alles bleibt starr in sich, kennt nur die Hebelwirkung, ohne aus sich heraus funktionieren zu wollen oder zu können. Der Brummkreisel ist die Neuauflage der Pyramide statt der Sphinx und der Götter mit den Tierköpfen haben wir zwar die Dynamomaschine und den Wecselstrom aber hier wie in Aegypten sind diese Dinge, trotzdem sie sich rotierender gebärden als die Denkmalsteine ebenso tot und mechanisch, ja noch seelenloser als diese. Wie können wir unsere Existenzform, und wie kann der Brummkreisel seine zersprengen? Wie können wir ihr geheimes Wesen, ihre geistige Profitrate das was bei aller Ausnutzung ihrer Möglichkeiten herauskommt —• sich etwas auf die Seite zu legen und darauf liegen zu bleiben aufheben und ihr Ruhebedürfnis energisieren, dynamisieren, aus den inneren Spannungen einer räumlichen Umschriebenheit und der Grenzen, die ja nur der Unterschiede

halber gedacht sind? So wie nur der Unterschiede halber der Mensch um seine Mittellinie gewachsen ist, und hierdurch wird er dem Brummkreisel unähnlich - dem rechten Arm der linke, dem einen Auge das andere entspricht; so machen Herz, Leber, Magen, Milz uni Blinddarm eine Ausnahme, sie sind asymethrisch, sie hängen nicht von der Achse ab, sie sind die Organe, die scheinbar am nutzlosesten_ doch umso sicherer die lebendige Dynamik eines Körpers verbürgen, sie sind die Dynamos und haben die Schwerkraft in sich überwunden ob der Mensch steht, hegt, oder hängt, stets pumpen sie die Flüssigkeiten dort hin, wohin sie gehören, als drehe sich der Brummkreiselmensch nur um ihren Antriebswillen und nicht um seine Achse. Was war es, das den Menschen über die Massen selbstbewusst machte? Dem Menschen glückte der aufrechte Gang im Gegensatz, aber doch als gewisse Analogie zum Brummkreisel, der ans zwei sich mit der gedachten Grundfläche berührenden Pyramiden besteht, während der Mensch kraft der Zersprengung, der Zerreissung seines Mittelpunkts, der Verlegung des Zentralorganes in ein Körperglied, in seinen Kopf zur Pyramide wurde zu einer Maschinerie, zu einem Wesen mit schiefen verlegtem Schwerpunkt, Als Maschine besitzt der Mensch im Gegensatz zum Brummkreisel die Neigung zur Heblmechanik; doch sehen wir im Hebel eine kosmische Minderwertigkeit, eine Funktionshemmung, die statt der beinahe gestirnsmässigen Raumspannung des Brummkreisels, der nur darum kein Gestirn ist, weil er sich noch um seinen oberen und unteren Pol dreht, statt um seinen wirklichen Mittelpunkt, stets erst einer Auslösung vom über den Körper hinaus verlegten Willen bedarf. Und warum bedarf? Weil der Mensch, mehr noch als der Brummkreisel, sich selbst zu seinem eigenen Missverständnis gestaltet hat; er wollte sich dem Tier, das stets der Erde entgegengebeugt bleibt, das stets seinen Untergrund festhält, das in sich selbst hin und wider gebogen bleibt, überlegen beweisen, er wollte statt der sicheren Mechanik von vier Stützpunkten nur deren zwei benötigen dieser sonderbare Kauz, der nichts vom Brummkreisel lernen w r ollte. Warum wollte der Mensch nicht über das Tier hinweg, über den Brummkreisel und seinen kategorischen Imperativ der auf der Stelle Drehens hinaus sich zum Organ seines Wünschens; zum Gestirn machen dessen haptische Emanationen, dessen exzentrische Empfindungsfähigkeit zwar bis an die Sterne reicht, das aber nicht selbst Gestirn geworden war aus einer merkwürdigen Zerstückelung seiner Zentrale in Gehirn and Geschlecht? Welcher Minderwertigkepswahn Hess den Brummkreisel die Dynamik, die ihn sich drehen heisst, oberflächlich als eine äusserliche sehen und welche Aehnlichkeit in der Bewusstigkeit veranlasste den Menschen, seinen Mittelpunkt aus dem Mittelpunkt des Körpers hinaus zu projizieren in ein Organ, das ihm mehr wmrt schien als seine Körpermitte? Warum muss alles sich gleichen ? Warum muss der Brummkreisel wie eine Schnecke ihr Auge so er seine Achse über den Umkreis seines Körpers hinaustragen? Warum musste der Mensch so dumm sein, wie die Schnecke der Brummkreisel oder eine Giraffe? Weshalb hat der Mensch seinen Wunsch, fliegen zu wollen, Gestirn zu sein, nur seinen aufnehmenden Organen verliehen, seinem Auge, seinem Ohr, warum musste der Mensch die Inobjektivität des Kreisels beibehalten? Hätte der Mensch sich selbst zürn Perpetuummobile gemacht durch eine Verkürzung seiner Längsache in einen Zentralpunkt, in ein wirkliches Zentralorgan, wahrlich, der Mensch brauchte nicht darauf stolz zu sein, sich aus der vertikalen in die hon-

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