Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

210 Die Nachlſeite der menſ<lichen Seele.

bewußtlos Lebenden (z. B. dem Schlafenden) eine Seele thätig ſein. Und dies iſt in dex That der Fall, jedo< Körper und Seele ſind in einem vom bewußten Leben ab= weichenden Zuſtande, wir lernen eine ganz neue Seite, eine Kehrſeite der menſchlichen Seele fennen, die „Nacheite“, wie es der Myſtiker nennt, die uns mit geheimnißvollem Schaffen entgegentritt.

Senen eigenthümlihen Kranken, welche fich Nachts, be= ſonders in hellen Mondſcheinnächten, von ihrem Lager er= heben und ſchlafend umherirren, den ſogenannten „Naht — wandern“, iſt Ungeheuerliches angedichiet worden : ſie follen nicht nur getviſſe Kunſtſtü>te verſtehen, wie z. B. geſchloſſene Briefe mit geſchloſſenen Augen zu leſen, ſou= dern auch an entfernten Orten ſih zu derſelben Zeit ab= ſpielende Ereigniſſe ſehen, in die Vergangenheit zurüc= und in die Zukunft vorausbli>en fönnen, weshalb man ſie als „Hellſehend“ bezeichnete. Wix glauben dieſe Produkte des Aberglaubens ignoriren zu dürfen.

Und dennoch ſind jene Geſchichtchen von Nachtwandlkern, die zu ihren Wanderungen beſonders gefährliche Wege wählen, förperliche und geiſtige Handlungen mit unge= wöhnlicher, wenn auh niht übernatüxlicher Kraft und Geſchicklichkeit ausführen, für die ihnen ſpäter meiſt jede Erinnerung fehlt, keine Märchen, ſondern werden in der ſtrengen Wiſſenſchaft längſt als unumſtdßliche Thatſachen ‘betrachtet. Ja, man darf annehmen, daß dieſe Krankheit verbreiteter iſt, als man glaubt, da der damit Behaftete oft nicht darum weiß, oder feine Umgebung es Anderen ſcheu verſchweigt.