Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Roman von Georg Hartwig. 7

und Familienmütter wandten mißbilligend das Haupt ab ob der getwiſſenlos ſ<hlanfen Taille der kaum Neunzehn= jährigen. Da war der Amtsrichter ſelbſt doh eine andere Perſönlichfeit, etwas reſervirt zwar und nicht gar redſelig, aber, Du lieber Gott, die Luſt zum Plaudern mochte ihm an der Seite dieſer gefallſüchtigen Närrin wohl ſchon ver= gangen ſein; auch war er niht allzu geſellig, dafür jedo< allezeit höflich und fern davon, über Sittlingens geheiligte Gebräuche zu ſpotten, wie es ſeine Gattin in Gegenwart der Bürgermeiſterin und der Doktorin furchtlos zu thun gewagt hatte. :

Das Dienſtmädchen im Meiſchi> ſchen Hauſe konnte nicht genug von dem Unverſtand und der Verſchwendung ihrer jungen Herrin erzählen, ſowie von der ſtrafbaren Langmuth und Geduld des Ehemannes. Da gab es weder Küchen- noh ſonſtige Schürzen, dafür blauſeidene Haus= ſchuhe, wahr und wahrhaftig mit Goldfäden geſti>t, fein hoſpitalblaues Merinomorgenfleid, nein, zur Sommerzeit iveiße Linonröce, wie die Kunſtreiterfleider mit roſa Schleiz fen beſäet, und zur Winterzeit gar eine ſündhaft bunte Kaſchmirxobe , dux< e<te Goldfnöpfe geſchloſſen und mit einer Schleppe, die gar fein Ende nahm. Skfandalirten au alle jungen Sittlingerinnen über den ſchamlos \{<ief getragenen Rembrandthut, der gar ſo auſfallend über der weißen Stirn ſeiner Beſißerin ſ{<webte, im Geheimen be= neideten fie doh die Amtsrichterin glühend ob all? der unerreichbaren Herrlichkeiten, welche ihren Verehrern ſicht= ſi<h in die Augen ſtachen.

Abex das Schlimmſte, das Unverzeihliche an der Sache