Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Novelle von Schmidt-Weißenfels. 113

Menſchen, die ſi< innig liebten, für das Leben. Loni, die holde Braut, ſtrahlte unter ihrem Myrtenkranze im üppigen blonden Haar. Horaf war in dex heiterſten Laune, und man ſah und hörte ihm an, daß er die ſchöne und hohe Bedeutung des Tages zu würdigen wußte. Wenn man dem erfahrenen Juſtitiar angeſichts dieſes unbefange= nen Menſchen geſagt hätte, er habe einen dur<htriebenen und einen der gefährlichſten Banditen vox ſih, den ge= fürtetcn Condéer, er würde es nicht geglaubt haben. Seine Jnſlinfte als Kriminaliſt und Poliziſt verſagten hier; er ſchüttelte Demjenigen freundſchaftlichſt die Hand, den er, hätte ex ihn in ſeiner wahren Perſon gekannt, an den Galgen geliefert hätte. Die gute Renate fonnte gar niht aufmerkſam genug gegen den lieben Schwager fein, und der Vater Toni's beglü>wünſchte fich aufrihtig wegen der Parthie, die ſie auf eine ſo zufällige und oz mantiſche Weiſe gemacht. Nur Arnold wax trauxig. Wort= farg und mit einem freſſenden Schmerz in der Bruſt, wohnte er der Hochzeitsfeier bei. Ex haßte den Bräutigam jezt bitterlih und meinte, daran ſet ſeine ohnmächtige Eiferſucht ſchuld. Aber mehr no< als dieſer Haß ihn erz regte, war es ein Bangen um Toni, eine düſtere Ahnung um das Loos, dem fie entgegen ging. Ex twußte niht, warum. 6.

Am nordweſtlichen Ende des Bodenſees auf ſ{|weizeri= ſchem Ufer liegt dicht vor den Thoren des alten, zur Zeit dieſer Erzählung noch öſterreichiſchen Konſtanz das Slädt= hen Kreuzlingen. Von der Bodenwelle, auf der ſeine

Bibliothek, Jahrg. 1586. Bd. I. 8